Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

246 D i e Ereignisse an derWe st front von Mai bis August 1915 
keine offene Stadt, denn es besitzt eine Garnison von 4000 Mann. Am schärfsten von 
allen Zeitungen äußerte sich „Libre Parole", die schreibt: „Wenn wir einige Zivil 
personen in Karlsruhe umgebracht haben, so haben wir uns dadurch von Leuten befreit, 
die auf wirtschaftlichen Gebieten einen unehrlichen Krieg gegen uns führten." „Libre 
Parole" fordert sodann auf, Pforzheim, das industrielle Zentrum Badens zu bombar 
dieren, um den französischen Handel zu rächen. Jeder Pforzheimer, der in die andere 
Welt befördert werde, bedeute einen rührigen, gehässigen Feind Frankreichs weniger. 
Im Gegensatz zu diesen Preßstimmen protestiert Gustav Heros in der „Guerre So 
ciale" gegen den Fliegerangriff auf Karlsruhe. Er erklärt, der Angriff aus die, wie 
er selbst zugesteht, offene Stadt, der eine so große Zahl unschuldiger Opfer gefordert 
habe, sei peinlich. Die französische Heeresleitung sei zwar berechtigt gewesen, nach den 
deutschen Fliegerangriffen auf die offene (?) Stadt Paris eine solche Vergeltung zu üben, 
aber man hätte besser getan, statt Karlsruhe Essen, die große Munitionsstadt Deutsch 
lands, zu beschießen. Das hätte auch einen militärischen Zweck gehabt. 
Einer englischen Zeitschrift blieb es vorbehalten, die Teilnahme des deutschen Kaisers 
und des Großherzogs von Baden in niederträchtiger und gemeiner Weise zu glossieren. 
So findet sich in den „Financial News" vom 19. Juni 1915 der folgende in wörtlicher 
Uebersetzung wiedergegebene Artikel: „Gewimmer über Karlsruhe: Nach der „Frank 
furter Zeitung" hat der Großherzog von Baden nachstehendes Telegramm von der Front 
an den Bürgermeister von Karlsruhe gesandt: „Der Kaiser telegraphiert mir seine tiefe 
Entrüstung über den gemeinen Angriff auf mein geliebtes Karlsruhe. Die armen un 
schuldigen Opfer unter der Zivilbevölkerung haben ihn tief betrübt." 
Es lohnt sich, daß wir daran erinnern, daß 1. der Kaiser den deutschen Fliegern den 
Befehl gab, man müsse sich besonders bemühen, die Kinder des Königs Albert zu töten; 
2. daß er befohlen hat, denjenigen Unterseebootsmannschaften, durch die Frauen und 
Kinder untergingen, eine doppelte Belohnung auszuzahlen; 3. daß er persönlich die Mar 
terung von dreijährigen Kindern befohlen und genau angegeben hat, welche Martern 
angewandt werden sollen." 
Wie sehr das Leben der Königin von Schweden und eines ihrer Enkel gefährdet 
war, schildert der Berliner Berichterstatter des „Stockholms Dagblad" Herr Torelius 
in seinem Berichte folgendermaßen: „Was nicht zum mindesten den Angriff auf 
die offene Stadt Karlsruhe zu einer, milde gesagt, unsympathischen, um nicht zu 
sagen, unverantwortlichen Brutalität stempelt, ist, daß das Schloß, in dessen Mauern 
sich fürstliche Personen, unter ihnen die Königin eines neutralen Landes befanden, zum 
Ziele auserwählt war. Unsere Königin und ihr Enkelsohn Prinz Lennart besuchten, 
wie bekannt, die Großherzogin-Witwe von Baden und bewohnten, wie immer, den linken 
Schloßflügel. Man kann von Glück sagen, daß die Königin Viktoria nicht ein Opfer 
der französischen Bomben wurde, denn drei von ihnen schlugen in unmittelbarer Nähe 
des Schlosses ein und zerstörten alle Fensterscheiben in den von Ihrer Majestät bewohnten 
Gemächern. Die Königin wurde durch die Detonation bei der Explosion der ersten 
Bombe in der Stadt geweckt, stand zuerst auf und begab sich von ihrem Schlafgemach 
in das nach dem Schloßplatz gehende Zimmer, dessen Fenster sich aus einen Balkon 
öffneten. Von diesem Fenster aus wurde Ihre Majestät Zeuge, wie gleich darauf Bomben 
aus dem Schloßplatz selber explodierten und das Monument von Karl-Friedrich be 
schädigten, und eine nochmalige Explosion knapp 60 Meter vor dem Platz der Königin 
entfernt erfolgte. Die Königin sah eine mächtige Rauchsäule in die Höhe schießen, Erde 
und Sand wurden durch die Kraft der Explosion emporgewirbelt. Alle Fensterscheiben 
in diesem Teil des Schlosses sprangen in tausend Stücke. Ihre Majestät hatte schon 
Befehl gegeben, daß Prinz Lennart, der sich in einem oberen Raum befand, herunter
	        
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