Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die große Offensive nördlich der unteren Weichsel bis zum Fall von Warschau 115 
vertrieben hatte. Ebenso sah es an den anderen Orten der beiden Einbruchstellen aus. 
Das gefürchtete Kastenwäldchen nördlich von Wengra war zu einem Haufen zersplitterter 
Maste zusammengeschossen, die starken Höhenstellungen nordwestlich von Prasznqsz waren 
vollständig zerstört. Im Lauf des Vormittags brach die Sonne durch und beschien die 
siegesfroh vorwärtseilenden deutschen Truppen. Die zogen über die drohenden Höhen 
hinweg, die vor ihnen lagen, und ließen dem Feinde kaum irgendwo Zeit, sich in der 
starken zweiten Verteidigungslinie festzusetzen. So fielen manche sorgfältig vorbereiteten 
hervorragenden Stellungen fast ohne Kamps in unsere Hände. Am selben Tage noch 
kamen die unermüdlichen Kämpfer bis zur nächsten Linie, ja stürmten sie zum Teil schon 
in der Nacht. Hier ist die Eroberung der Schlüsselstellung von Gorne, die nach den 
früheren Erfahrungen als uneinnehmbar galt, besonders zu nennen. Mehr, als man 
hoffen durfte, hatten mit einem Schlage die Treffsicherheit der Artillerie und das Un 
gestüm der Infanterie erreicht: binnen 24 Stunden war Prasznysz von beiden Seiten 
flankiert und nicht mehr zu halten. 
Am 14. Juli ging fast ununterbrochen ein feiner Regen nieder. Der Durchzug durch 
das ausgebrannte, völlig menschenleere Prasznysz war melancholisch genug, aber unsere 
Soldaten klappten wohlgemut die Zange zu und vereinigten sich südlich davon zu einer 
Ramme, die nun die neue feindliche Stellung, die letzte geschlossene vor der Narew-Linie, 
mitten entzweibrach. Die Russen hatten alle Zwischenlinien aufgegeben und schleunigst 
die seit Monaten vorbereitete, außerordentlich starke Verteidigungsstellung Wysogrod— 
Ciechanow—Zielona—Szczuki—Krasnosielc besetzt, die wieder aus mehreren Reihen 
hintereinander bestand. Unsere Truppen mochten zunächst im Zweifel sein, ob sie hier 
noch stärkeren Widerstand zu erwarten hätten. 
Der 15. Juli gab eine ernste Antwort. Als nach kräftiger Artillerievorbereitung die 
Schützenlinien vorzugehen begannen, empfing sie überall ein heftiges Gewehr- und Maschinen 
gewehrfeuer. Der Feind setzte offenbar alles daran, das letzte Bollwerk bis zum Aeußersten 
zu verteidigen. So ging es an den meisten Stellen nur langsam vorwärts, und öfters 
mußte die für das Wirkungsschießen der Artillerie angesetzte Zeit verlängert werden. 
Trotz des hellen, sonnigen Wetters, das eine gute Beobachtung zuließ, war der Erfolg 
nicht mehr so durchschlagend wie am ersten Tage. Gerade in der Mitte der Haupt 
durchbruchsfront aber lagen Truppen, deren Draufgängerlust ganz besonders ausgebildet 
worden ist. Die eine Divifion hatte als Angriffsziel die Höhen südlich und südöstlich 
von Zielona und war schon am Vormittage stellenweise bis auf 300 Meter an den Feind 
herangekommen. Die Garderegimenter aus dem rechten Flügel, die sehr bedeutende An 
strengungen hinter sich hatten, sollten eigentlich das Vorgehen der Nachbarn abwarten 
— da meldeten sie um V-2 Uhr: Sie hielten die feindliche Stellung für sturmreif und 
würden in einer halben Stunde angreifen. Als dies die Truppen des linken Flügels 
hörten, wollten sie natürlich nicht zurückstehen, und so trat die Division Punkt 2 Uhr 
zum Sturm an. Es war ein gewagtes Unternehmen, diesen Stoß ohne die heran 
beorderten Verstärkungen zu unternehmen. Sein Gelingen ist dem hervorragenden Zu 
sammenwirken von Infanterie und schwerer Artillerie zu verdanken. Im vollen Ver 
trauen auf die Treffsicherheit der „schwarzen" Brüder sprangen die Schützen durch 
das hohe Kornfeld vor, sobald eine Lage Granaten vor ihnen eingeschlagen war. 
Durch verabredete Zeichen gaben sie ihre neue Linie zu erkennen. Dann legte die 
Artillerie ihre Geschoßgarbe 100 Meter weiter vorwärts, und unter ihrem Schirm 
stürzten jene in die frischen Granatlöcher. So ging es ununterbrochen vorwärts. 
, Weder das russische Schnellfeuer noch das doppelte Drahthindernis vermochte 
den Sturm auszuhalten. Als das deutsche Hurra rollte, liefen die Russen, verblüfft 
durch solche Elementargewalt, in hellen Hausen davon. Um 2 1 / 2 Uhr erhielt der Divisions-
	        
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