114 Die Ereignisse an der Ostfront nach der Wiedereroberung von Przemysl
seid zu erhalten. Eine solche Front in ganzer Breite frontal anzugreifen ist unmöglich.
Eine Umfassung des Gegners war ausgeschlossen, da sich die deutschen und die russischen
Linien ununterbrochen nahe gegenüberlagen.
General v. Gallwitz entschloß sich zum Durchbruch an zwei Stellen, die so nahe
aneinanderliegen, daß die hier gelingenden Vorstöße ihre Wirkung sofort auf das Mittel
stück und weiter auch nach rechts und links ausüben mußten. Als Angriffspunkte wählte
er die vorspringenden Winkel der russischen vordersten Stellung nordwestlich und nord
östlich von Prasznysz. Diese vielumstrittene Stadt, deren Umgebung solche Mengen
russischen und deutschen Blutes getrunken hat und die selbst dabei zum Trümmerhaufen
geworden ist, hatten die Russen durch einen Gürtel von starken Feldwerken zu einer
Festung ausgebaut. Sie sollte diesmal gar nicht angegriffen werden, sondern als Sieges
preis den zur Rechten und zur Linken stürmenden Truppen in den Schoß fallen. Dieser
Plan ist in vollem Umfang geglückt. Wie die Schneiden einer gewaltigen Kneifzange
durchbrachen die tapferen deutschen Truppen die feindliche Linie zu beiden Seiten von
Prasznysz und schlossen sich unaufhaltsam jenseits der Stadt zusammen. Die russische
Besatzung mußte schleunigst die Festung kampflos verlassen, um nicht mitabgekniffen zu
werden. Ein solcher Erfolg wäre aber unerreichbar gewesen ohne sorgfältigste Vor
bereitung des Angriffs. General v. Gallwitz zog starke Jnfanteriekräfte gegenüber den
Durchbruchstellen, zumal der rechten, zusammen und vereinigte dort gewaltige Artillerie
massen, deren Munitionsversorgung auf den schlechten Wegen bedeutende Schwierigkeiten
bereitete. Alles das war dem Feinde geheimzuhalten, und in der Tat haben die Russen,
obwohl unsere Schützen sich allmählich verschoben und unsere Batterien mit dem Ein
schießen begannen, an keinen ernsthaften Angriff geglaubt. Ein Stück hinter Prasznysz
fanden unsere Truppen eine fertige Feldbahn, auf der gerade am nächsten Tage der
Personenverkehr beginnen sollte (vgl. die Karte VI, S. 63).
Erst der Morgen des 13. Juli weckte die Russen unsanft aus ihrem Sicherheitsgefühle.
Die Sonne war kaum aufgegangen, als aus Hunderten von Feuerschlünden die Geschosse
leichten, schweren und schwersten Kalibers auf die russischen Stellungen herniedersausten.
Es war eine Kanonade, die schon auf die deutschen Truppen einen tiefen Eindruck machte,
die russischen aber völlig um die Besinnung brachte. Trotz des unklaren, regnerischen
Wetters schoß unsere Artillerie ausgezeichnet. Den Schützen in so starken Feldstellungen
ist ja nur durch Volltreffer größerer Kaliber beizukommen. Hageldicht schlugen diese
kurz vor und hinter den russischen Linien ein, oft genug auch unmittelbar in die
Deckungen. Wurde dadurch auch nur ein kleiner Teil der Feinde getötet, so war die
moralische Wirkung um so gewaltiger. Gefangene haben erzählt, daß in diesem Höllen
feuer jeder Zusammenhalt in der Truppe aufhörte. Hieraus, wie aus der überraschen
den Wirkung des ganzen Angriffs ist es zu erklären, daß unsere Infanterie bei der
Erstürmung der ersten russischen Stellung wenig Aufenthalt und verhältnismäßig wenig
Verluste hatte. Auf 8 Uhr morgens war für einen großen Teil der Truppen der Angriff
festgesetzt, für einen anderen etwas später, und schon eine Viertelstunde danach, stellen
weise sogar vor der anberaumten Zeit, war der Erfolg gesichert. Die deutsche Infanterie
ließ sich in ihrem frischen Vorwärtsdrang um so weniger aufhalten, als sie die gewaltige
Wirkung des Artilleriefeuers erkannte und Scharen von waffenlosen Russen herankommen
sah, die nur noch in der Gefangenschaft Rettung vor den schrecklichen Granate» suchten.
In dem stark befestigten und von beherrschenden Höhen umgebenen Dorf Grudusk sah
es furchtbar aus. Die letzten noch unzerstörten Häuser brannten, die mächtige Kirche
war eine Ruine, und ringsherum reihte sich Granatloch an Granatloch. Den Thüringern,
die hier schneidig einbrachen, während ein Teil der feindlichen Schützen noch feuerte,
fielen fünf russische Kanonen zur Beute, deren heraneilende Protzen unser Schnellfeuer