Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die große Offensive nördlich der unteren Weichsel bis zum Fall von Warschau 113 
nicht fassen, daß man wieder ein freier Mensch und nicht von Spionen umgeben ist; 
man kann wieder frisch und frei aufatmen. Abends ging ein Teil der Truppen schon 
weiter. Noch immer ist das Feuer nicht gelöscht, immer wieder fällt ein Haus den Flam 
men zum Opfer, aber jetzt scheint es doch lokalisiert zu sein. Die deutschen Soldaten 
greifen auch helfend ein, und hoffentlich ist bald auch darin Ordnung." 
Der örtliche Erfolg der Einnahme Mitaus, der Hauptstadt Kurlands, lag vor allem 
in der Eigenschaft dieser Stadt als Knotenpunkt der Eisenbahnen nach Riga, Windau, 
Libau und Dünaburg, und ferner in der Annäherung der deutschen Truppen an Riga, 
der Hauptstadt Livlands, bis auf 40 Kilometer. Es sollen denn auch bereits am 20. Juni 
1915 sämtliche behördlichen Archive Rigas, die Geldbestände der dortigen Staatsbankfilialen 
und die Akten der Gerichte nach Petersburg verbracht worden sein. Die Staatsbeamten 
erhielten die Weisung, sich zur Abreise vorzubereiten. Ueber 10000 Personen der Zivil 
bevölkerung von Riga verließen die Stadt fluchtartig. Die Nord-West-Bahn erhielt 
Befehl, für 19 Flüchtlingszüge täglich Vorsorge zu treffen. 
Die Bedeutung der Einnahme Mitaus geht aber weit über den örtlichen Erfolg hinaus. 
Die taktischen Vorteile, die hier der Heldenmut deutscher Truppen errang, übersetzten 
sich unmittelbar in strategische Wirkungen, denn mit jedem Schritt auf den äußeren 
Flügeln wurde der Raum verengt, in dem die Russen ihren Rückzug auszuführen ge 
zwungen waren. Hier zeigte sich die überwältigende Hebelwirkung der riesigen Zange, mit 
der die strategische Anlage der deutschen Operationen die russische Macht umfaßt hatte. Auf 
dem Nordflügel ist die Einnahme Mitaus durch ein Fortschreiten der deutschen Offensive 
östlich Poniewiez ergänzt worden, und der Erfolg pflanzte sich weiter südlich auf die 
Njemen- und Narew-Front fort, wo deutsche Truppen auch bei Suwalki und Lomza 
siegreich vordrangen. 
Der Durchbruch bei PrasznySz am 1?. bis 15. Juli 1915 
Zusammenfassender Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier 
vom 31. Juli 1915 
Von der Piliza bis zum baltischen Ostseerande rücken die unter dem Oberbefehl des 
Feldmarschalls v. Hindenburg stehenden Truppen wiederum kräftig vor. Im Rahmen 
dieser großen Offensive erhielt der General der Artillerie v. Gallwitz den Auftrag, mit 
den Truppen, die unter seiner Leitung seit Monaten die Wacht an der Südgrenze West- 
und Ostpreußens gehalten hatten, und einigen Verstärkungen die feindliche Stellung zu 
durchstoßen. Die Aufgabe mußte als außerordentlich schwer erscheinen, hatten die Russen 
doch die Zeit der Ruhe ausgenutzt, um ein Netz von günstig gelegenen und sehr stark 
befestigten Stellungen zwischen ihrer vordersten Linie und den Narewfestungen aus 
zubreiten. Wer jetzt diese teils erstürmten, teils einfach verlassenen Befestigungswerke 
durchschreitet, der staunt immer von neuem über das Maß der aufgewandten Arbeit und 
technischen Sauberkeit. Meilenweit ziehen sich — in einer Tiefe von nur 15 bis 20 Kilo 
metern — drei, vier, ja fünf Systeme von Schützengräben hintereinander hin, Schützen 
gräben von einer Tiefe und Stärke, wie sie erst der hartnäckige Stellungskrieg geschaffen 
hat. Hunderttausende dicker Baumstämme sind da hineingearbeitet, Millionen von Sand 
säcken liegen aus den Brustwehren und türmen sich zu breiten Seitenwehren. Stellen 
weise sind bombensichere Unterstände und Pserdeställe tief in die Erde eingebaut. Ueberall 
stehen dichte Drahthindernisse vor der Front, oft versenkt und in zwei bis drei Reihen 
hintereinander. Vorspringende Bastionen, bequeme und sichere Beobachtungsstände leiten 
zum Festungscharakter über. Das Gelände ist stark hügelig, hier und da bergig, mit 
weit überragenden Höhen und steilen Abhängen. Von den zahlreichen Wäldern haben 
die Russen einen erheblichen Teil niedergelegt, um freiere Uebersicht und weiteres Schuß- 
ViMerkrteq. IX. 8
	        
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