Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

110 Die Ereignisse an der Ostfront nach der Wiedereroberung von Przemysl 
Rechts entwickeln sich Schützenschwärme, ein Reitertrupp schiebt sich in einer Bodensenke 
rasch nach einem entfernten Waldstück hinüber. Nur durch das Fernglas erkennt man 
an den flatternden Lanzenfähnchen, daß es deutsche sind. Dort rechts kommen wir gut 
voran, nur links im Walde und voraus hinter dem Gehöft scheint es hart herzugehen. 
Man sieht aus dem Waldrande einzelne Infanteristen herauskommen und durch den 
Weizen zurückgehen. Ein kleiner Trupp kommt durch die Wiesenschlucht herauf, von 
einem Unteroffizier geführt. Der Mann meldet dem General, er führe den Rest einer 
Kompagnie, deren Führer gefallen sei. Sie hätten vor überlegenen feindlichen Kräften 
zurückgehen müssen. Sein Gesicht ist schweißbedeckt und hat einen entsetzten Ausdruck. 
Er bekommt den kurzen Befehl, an der Straße Ausstellung zu nehmen, es werden Reiter 
ausgesandt, die zurückgehenden Infanteristen zu sammeln und ebenfalls dahin zu führen. 
Unter der Zeltbahn des Telephonwagens hervor hört man andauernd die Stimme 
des Generalstabsoffiziers, der mit den Führern der einzelnen Abteilungen verbunden 
ist. Die Mitte, gegen die der Gegner mit aller Gewalt und mit überlegenen Kräften 
anrennt, vermag sich kaum noch zu halten. Ich höre, wie der Generalstabsosfizier am 
Fernsprecher dem Führer der Mitte zuredet: Die rechte Flanke sei im Vorgehen, sie 
solle dem Gegner in den Rücken kommen, es könne nicht mehr lange dauern, sie sollen 
sich bis dahin halten. Es sei doch immer gegangen, werde auch heute gehen. Nur aus 
halten, aus jeden Fall halten die Linie. Die Antwort muß nicht sehr befriedigend sein; 
denn jetzt wird der Führer des rechten Flügels angerufen. Er soll sogleich einschwenken, 
der Mitte zu Hilfe kommen. Ein Artillerist kommt in vollem Jagen die Straße heran. 
Er soll die Protzen holen. Der General wechselt mit dem Brigadekommandeur der 
Artillerie ein paar Worte. Dann der scharfe Befehl: Nein! Die Protzen bleiben. Die 
Batterien halten sich! Munitionswagen fahren vor. „Erster Wagen Galopp!" Die 
Peitschen sausen, die sechs Pferde strecken sich, und rasselnd donnert das schwere Gefährt 
die Straße entlang, dorthin, wo die schwarzen Erdtrichter aus dem Boden steigen. Aber 
neue Meldereiter kommen angejagt, um die Protzen zu holen, durchs Telephon kommen 
schlimme Nachrichten, und vor allem: die einzelnen Schützen, die in immer größerer 
Zahl durch das Getreide zurückfluten. 
Die an der Straße versammelten Leute sind nach einer kräftigen Ansprache des 
Generals auf die Höhe des Weizenfeldes gelenkt, wo sie eine Ausnahmestellung aus 
graben . . ., aber die doppelte, dreifache Zahl ist an anderen Stellen im Zurück 
gehen . . ., es ist ein niederdrückender Gedanke, daß die vielen sich nähernden Ge 
stalten im Getreide Menschen sind, denen nach so manchem Sturm doch einmal vor 
der Uebermacht die Kraft erlahmte. Die Lage war darum so kritisch geworden, weil 
Teile des Nordflügels, die in das Gefecht eingreifen sollten, ebenfalls Gegner vor 
ihrer Front zurückdrängen mußten, so daß unsere Division mit dem stark überlegenen 
Feinde an diesem Tage allein blieb. 
Zwei Kompagnien, die hinten in Reserve lagen, sind schon vorgeschickt. Jetzt wird 
auch das letzte eingesetzt: eine halbe Pionierkompagnie und die zur Bedeckung des Stabes 
bestimmten Radfahrer. Werden sie es halten können? Ein rasendes Artillerie«, In 
fanterie- und Maschinengewehrfeuer kracht und knattert über das Feld, hoch zum Himmel 
schlagen die Flammen des brennenden Vorwerks Endenhof. Der General blickt mit 
gerunzelter Stirn über das Feld, wo das Zurückfluten immer ärger wird ... und ich 
denke, ob es wohl noch ein Mittel gibt, das Verhängnis abzuwehren. Ich sollte es 
gleich erleben, das uralte Mittel, das keine Vervollkommnung der Waffen und der 
Kriegskunst jemals aus der Welt schaffen wird . . . 
„Doch hast du Mut, und hälft du Stich, so wage Haus und Hof und dich!" Ich 
sehe es in den Augen des Generals aufblitzen, höre einen unterdrückten Fluch, und
	        
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