Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

318 Die Türkei während des zweiten Kriegshalbjahres 
vier Jahre gearbeitet worden. Bereits Anfang Juni 1915 war eine weitere Strecke 
östlich der großen Euphratbrücke von Dscherablus, die Nordmesopotamien durchzieht, um 
den Tigris bei Mossul zu erreichen, eröffnet worden. Auch vom Süden her werden in 
Verlängerung der schon eröffneten Strecke Bagdad—Sumikieh, die Gleise vorgetrieben. 
Der Charakter des osmanischen Reiches als Agrarstaat erforderte in der Hauptsache 
naturgemäß Maßnahmen aus landwirtschaftlichem Gebiet, und es ist seitens 
des Landwirtschaftsministeriums und der Beamten der einzelnen Verwaltungsgebiete viel 
getan worden. Vorkehrungen für eine ordnungsmäßige Bestellung des Bodens und 
ordnungsmäßige Aussaat der neuen Ernte find überall getroffen. An Angehörige der 
zum Heeresdienst einberufenen Bauern werden nötigenfalls Saatgetreide und sonstige 
Sämereien von Staats wegen abgegeben. Auch in bezug auf die Eintreibung der Steuern 
wird der Landbevölkerung gegenüber mit der größten Rücksicht verfahren. Daneben 
erfolgen Anregungen zur Aufnahme neuer besonders lohnender Kulturen. So ist man 
gegenwärtig im Wilajet Konstantinopel eifrig um die Einführung der spezifisch türkischen 
Rosenzucht und Rosenölgewinnung bemüht und versucht außerdem, die Bauern durch 
Abgabe von Rebstöcken zum Weinbau anzuregen. 
Trotz des Krieges ist denn auch das Ergebnis der Agrarsteuern für das abgelaufene 
Steuerjahr in der Mehrzahl der Provinzen günstiger oder wenigstens das gleiche wie 
im vorangegangenen. Alles weist darauf hin, daß der Krieg keinesfalls eine Verschlech 
terung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in der Türkei bringen wird. Es sind viel 
mehr Anzeichen vorhanden, daß das Vertrauen auf die politische und militärische Lage 
belebend aus die wirtschaftliche Entwicklung einwirkt. 
VondeninnerpolittschenVerhältniffenAegyptms 
Kundgebungen des Kalifen und des Khediven 
Mitte Dezember 1914. 
Der Kbedive von Aegypten, Abas Hilmi, erließ eine Proklamation an die 
Aegypter und Sudanesen, in der er aus die Uebergriffe der Engländer hinweist, die 
Hoffnung ausspricht, die im Anmarsch begriffene osmanische Armee werde den Zustand 
vor 1882 wieder herstellen, und eine Verfassung in Aussicht stellt. 
Anfang Februar 1915. 
Der Kalif Sultan Muhammed Khan V. richtete folgende Kundgebung an die Aegypter: 
„An meine ägyptischen Söhne! Ihr wißt, wie England in Aegypten eingedrungen ist, 
mit welcher Treulosigkeit es die Verwaltung des Landes in Beschlag nahm. Es war mein 
ständiger Schmerz, Euch unter der englischen Tyrannei leiden zu sehen, und ich wartete aus 
einen günstigen Augenblick, um ihr ein Ende zu machen. Ich danke dem Allmächtigen, daß 
er mir eine glückliche Gelegenheit gab, eine meiner Kaiserlichen Armeen zu entsenden, um 
Euer schönes Land, das muselmanisches Erbgut ist, zu befreien. Ich bin gewiß, daß 
es mit göttlicher Hilfe meiner Kaiserlichen Armee gelingen wird. Euch von fremdem 
Einfluß zu befreien und der fremden Einmischung ledig zu machen. Euch Eure Selbst 
herrschaft und Eure Freiheiten zurückzugeben. Ich bin überzeugt, daß meine ägyptischen 
Söhne durch ihre Vaterlandsliebe dazu veranlaßt werden, mit allem Eifer, dessen sie 
fähig sind, an diesem Befreiungskriege teilzunehmen." 
Vom englischen Oberkommando 
9. Januar 1915. 
Der englische Oberkommissar für Aegypten, MacMahon, ist in Kairo eingetroffen 
und vom Militärgouverneur, General Maxwell, empfangen worden. Eine große 
Menschenmenge sah dem Einzug des neuen Oberkommiffars mit eisiger Kälte zu.
	        
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