Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

290 Der türkische Krieg von Ende Februar bis Anfang August 1915 
Bei Penek stellten sich ihm starke feindliche Truppenteile entgegen, die nach heftigem, 
erbittertem Gefecht mit einem Verlust von mehr als 3000 Gefangenen geschlagen wurden. 
Alle diese Ereignisse bildeten indessen nur das Vorspiel für den schwierigsten Teil 
der Operation, den Uebergang über den Allah Ekber Dagh, ein großes Gebirgs- 
masstv, das mit seinen heimtückischen Schluchten und verwilderten Wäldern, seinen 
Sturzbächen und Schneefeldern, selbst die geschultesten Hochgebirgstruppen vor fast un 
lösbare Aufgaben gestellt hätte. Doch für die siegreichen Krieger unter ihren aus 
gezeichneten Führern gab es keine Hindernisse, und so wurde das Unternehmen, das für 
alle Zeiten ein Ehrenblatt in der Geschichte der türkischen Armee bleiben wird, mit 
vollem Erfolg durchgeführt. Daß dies nur unter übermenschlichen Anstrengungen möglich 
war, ist selbstverständlich. Bei dem Torfe Kosor hatten die Truppen die Straße 
nach Ardahan verlassen. Steile, kahle Felsengrate, zwischen denen hindurch und über 
die hinweg der Weg gesucht werden mußte, stellten sich ihnen entgegen. Aus schmalen 
Pfaden, die in endlosen Zickzacklinien an schauerlichen Abgründen vorbeiführten, tappten 
sie sich vorwärts, hinein in die Region des ewigen Eises. Schneestürme hinderten jeden 
Ausblick, Pferde versanken in den Schneelöchern und zogen ihre Reiter mit in die Tiefe. 
Die meisten Geschütze mußten vorläufig zurückbleiben, und die wenigen, die mitgeführt 
werden konnten, wurden von den Truppen fast getragen. Erst den Pionieren gelang 
es, die bitter notwendige Artillerie nachzuschieben, indem sie in den glatten Fels Stufen 
und Steige schlugen. Trotzdem mußte jedes einzelne Geschütz einen Vorspann von 
zehn Ochsen und vier Paar Pferden haben. Während des Aufstieges verteidigten die 
Straße nach Ardahan einige kleine Detachements, die dauernd vom Feinde beunruhigt 
wurden, aber alle Angriffe erfolgreich zurückweisen konnten. So gelang es der Haupt 
macht, auch den zweiten, ungemein schwierigen Teil des Ueberganges, den Abstieg nach 
dem Kurdendorfe Baschköi ohne größere Störung zu vollenden. Trotz dieser Riesen- 
leistung nahmen die Truppen nach kürzester Rast die Offensive wieder auf, drangen über 
das Dorf Tiwnik hinaus und besetzten die Höhen um Sarykamisch. 
Sarykamisch ist der Endpunkt der strategischen Eisenbahn, die von Tiflis über die 
Festung Kars geleitet wurde. Es ist also begreiflich, daß die Russen den Ort stark 
befestigt hatten und ihn mit verzweifelter Hartnäckigkeit verteidigten. Einer Abteilung 
türkischer Freiwilliger gelang es, eine kleine Brücke in der Nähe des Dorfes Nowo- 
selim zu sprengen und dadurch die Eisenbahnlinie zu unterbrechen, so daß den Russen 
der Rückzug so gut wie abgeschnitten war. Der Feind, der seine mißliche Lage erkannt 
hatte, hielt sich aber in Sarykamisch außerordentlich tapfer, so daß alle Versuche der 
Türken, den Ort zu nehmen, fehlschlugen. Die Zuführung der Verpflegung und der 
Munition auf der von Kosaken ständig beunruhigten Etappenlinie über den Allah Ekber 
Dagh war inzwischen immer schwieriger geworden, so daß die Truppen ohne Zelte und 
ohne ausreichende Verpflegung in den Wäldern um Sarykamisch kampieren mußten. Die 
Vorräte der wenigen großen Dörfer in dem von den Türken besetzten Gebiet waren 
bald aufgezehrt, starke Fröste setzten ein und fügten den Truppen großen Schaden zu, 
so daß die Lage, alles in allem genommen, keine beneidenswerte war. In Sarykamisch 
hingegen war Ueberfluß an Vorräten und Muniton, der Ort blieb also schon aus diesem 
Grunde der Mittelpunkt aller Operationen, an denen nicht nur das Erzerumer Korps, 
sondern auch die unter dem Oberbefehl Enver Paschas stehende Hauptmacht, die von 
Bardis aus vorgerückt war, teilnahm. Die Kämpfe, die sich in dieser Gegend abspielten, 
lassen sich nur mit denen in Flandern vergleichen. Immer wieder wurden die türkischen 
Truppen zum Sturme gegen die russischen Stellungen geführt, einzelne Abteilungen 
kämpften mit unvergleichlichem Heldenmut, aber die Verbände konnten naturgemäß nicht 
so straff zusammengehalten werden, daß es, in Ausnutzung lokaler Erfolge, zu einem
	        
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