Die Ereignisse im Schwarzen Meer von Ende Februar bis Anfang August 1915 275
raten war, alle auf ihrem Posten blieben, um die an Bord befindlichen beweglichen
Gegenstände in Sicherheit zu bringen und die übrigen zu zerstören. Die Boote wurden
nicht früher bestiegen und die Rettungsgürtel nicht früher umgenommen, als bis der
Kommandant die Unmöglichkeit, länger an Bord zu verbleiben, einsah und den Befehl
dazu gegeben hatte.
„Hamidije", die „Medschidije" begleitet hatte, gelingt es, wie Otto von Gottberg
erzählt, „unter dem Feuer russischer Geschütze die Besatzung bis auf 30 Mann zu retten.
Fraglich ist nur, ob der überladene Kreuzer auf der Heimfahrt russischen Verfolgern
entrinnen kann. Doch tags zuvor, am 2. April 1915, sind auch „Goeben" und „Breslau"
ausgelaufen, um den durch unseren Kreuzerkrieg unterbundenen, aber wieder auslebenden
Handel zum Asowschen Meer zu stören. Bei sehr kaltem, aber klarem Wetter und Son
nenschein kommt am 3. April morgens Cap Chersones in Sicht. Dahinter bohren schnee
bedeckte Berge ihre spitzen Finger in den blauen Himmel. Der Gegner hat vor zwei
Tagen die türkische Küste nördlich des Bosporus beschossen, muß auf dem Rückmarsch
nach Sebastopol, oder vielleicht schon im Hafen sein. Sein Funkengeknatter klingt aus
nächster Nähe, und vor der aus den Wellen wachsenden Küste ist bald die Rauchfahne
eines seiner Kreuzer zu sehen. Mit Wendung nach Backbord kommen „Goeben" und
„Breslau" auf, und sehen endlich das vertraute, heute ersehnte Bild der fünf aus den
Schornsteinen des russischen Linienschiffgeschwaders qualmenden Rauchwolken. Sie
mußten gesunden werden, weil „Hamidije" ihre Lage gemeldet hat, und der Rückmarsch
des überladenen Kreuzers gedeckt werden soll. Wie Funksprüche erzählen, kommt er —
außer Sicht — von Osten in langsamer Fahrt heran. „Goeben" und „Breslau" drehen
ab, halten sich feindwärts zur Seite der „Hamidije" und nehmen Kurs nach Südwesten.
Zwei russische Dampfer begegnen ihnen. Die türkischen Kreuzer finden Zeit, die Besatzung
gefangen zu nehmen und die Schiffe zu versenken. Als Zuschauer folgt ein russischer
Kreuzer, der Fühlungshalter des feindlichen Gros. Auch zwei Flieger kreisen über
unsern Schiffen und betrachten neugierig wohl namentlich die nach Beschädigung durch
Minenexplosion und Reparatur im Bosporus wieder im Schwarzen Meer fahrende
„Goeben". Admiral Souchon beauftragt „Breslau", den feindlichen Kreuzer festzustellen,
und nach den wohlbekannten fünf Rauchwolken auszuspähen. Sie läßt sich sacken und
meldet um halb elf Uhr vormittags, daß jetzt wohl ein Angriff der „Goeben" aus den
Gegner möglich sei. Das Flaggschiff macht kehrt, verjagt den Russen und geht auf alten
Kurs zurück. „Breslau" meldet das feindliche Gros. Spitze in Höhe der „Goeben",
fährt es in Kiellinie mit südlichem Kurs, begleitet von einem Kreuzer und 15 Torpedo
booten. Aus eine Entfernung von 30 Kilometern sind klar seine Masten zu sehen. Mit
einer Geschwindigkeit von 15 Meilen fährt es für die nächsten fünf Stunden — keine
üble Leistung — neben den Unseren her. „Breslau" hat sich um 11 Uhr 45 Minuten
vormittags zwischen „Goeben" und die Russen gesetzt, um zu beobachten, ob der Gegner
vielleicht abschwenkt oder einen Angriff seiner Torpedoboote ansetzt. Er rückt näher.
Die Besatzung der „Breslau" muß das Mittagessen bei den Geschützen verzehren. Die
Offiziere nehmen in der Messe ein Butterbrot. Im 1.20 Uhr nachmittags ist der Feind
auf Schußentfernung von 17 Kilometern und eröffnet das Feuer mit den 30,5 om-Ge-
schützen der beiden vorderen Schiffe. Es liegt gut, nämlich kurz 40 Meter und lang
60 Meter. Aber Treffer kann „Breslau" durch Zickzackfahren vermeiden und sich all
mählich an „Goeben" heranziehen.
Unsere Schiffe lassen das feindliche Gros von fünf Linienschiffen zurück. Um 4 Uhr
schwindet es aus Sicht. Eine Stunde später meldet der Kommandant von „Breslau"
achteraus den Rauch von Kreuzern. Also plant der Gegner wohl einen nächtlichen
Torpedoangriff, denn seine Boote dürften den Kreuzern folgen. Vorläufig wird der