232 Der türkische Krieg von Ende Februar bis Anfang August 1915
Der nach den Dardanellen entsandte Sonderberichterstatter des „Journal", Andrs Tudesq,
hat persönlich den von den Engländern besetzten südlichen Küstenstrich von Gallipoli besucht.
„Die Pinasse, die uns an Land bringen sollte," so schreibt er, „hatte kaum nach Steuerbord
beigedreht, als ein Hagel von Geschossen uns den Willkommengruß bot. Die astatischen
Batterien hatten uns entdeckt. Doch diesmal nur der Ansang; andere Ueberraschungen
erwarteten uns. Das Dampfboot eilte keuchend dem Lande zu. Torpedobootszerstörer
kreuzen umher; auch wir wurden von einem Zerstörer begleitet. Transportboote tauchen
vor uns auf, zwei und zwei durch aufgenagelte Bretter verbunden — das war die Lan
dungsbrücke. Zur Rechten erhob sich ein gewaltiger Schiffsrumpf, schwarz und rot
bemalt, mit dem Kiel in den Sand gebohrt, verlassen und unbeweglich. Das war „River
Clyde" der erste englische Landungsdampfer, der den Strand erreichte. Ein mit Gra
naten gespicktes Wrack, in dessen Schatten die Truppen das Land betraten. Ein Ge
spensterschiff, das langsam von den Wellen zerfressen wurde, von Tag zu Tag mit mehr
Schußlöchern besät, allen Schutzes entblößt: so lag er da, dieser gestrandete Rumpf, der
die ersten Krieger barg und den die Soldaten „Trojanisches Pferd" nannten ...
Die Granaten fahren zischend neben uns in die Wellen, während wir vor der
Holzbrücke beilegen. Kaum hat der erste von uns den Fuß an Land gesetzt, als
ein sausendes Pfeifen über unsere Köpfe jagt. Einen Augenblick lang wird eine Er
scheinung sichtbar, die einem fliegenden Feuerwerk gleicht. Schwarzer Rauch steigt auf,
die Erde erzittert, die Landungsbrücke ist mit Sand bedeckt. Schrapnells! Wer sie
einmal gehört hat, wird sie nie mehr vergessen. Die Unsrigen nennen sie den „Süd
expreß". Hier hat es keinen Zweck, den Helden zu spielen. Alles wirft sich platt auf
den Bauch und sucht so gut wie möglich vorwärts zu kommen. Von den 522 Mann,
die diesmal ausgeschifft wurden, ist eine Anzahl verschwunden, wie Staub verweht.
Inzwischen haben auch die englischen Geschütze das Feuer begonnen, und bald mengen
sich noch die Batterien von Atschi-Baba in den infernalischen Tanz. Schwarze Dämpfe, ein
Wirbelwind von Eisen, Feuerstrahlen, glühende Sternschnuppen an der asiatischen Küste:
das ist der Kampf. Strandeinwärts finden sich die Spuren früherer Zeltlager. Der
zertretene Boden ist mit Blechbüchsen, leeren Kisten, abgenagten Knochen und Granaten
splittern bedeckt. Endlich erreichten wir Sedd-ül-Bahr. Zwischen den Ruinen find die
Offiziere und Mannschaften in Löchern, zwischen Steinen untergebracht. Die Glück
licheren wohnen in Kasematten. In diesem Labyrinth kann man sich nur mittels der
Tafeln, wie „Auskunftsbureau", „Verpflegungsdienst", „Intendanz", zurechtfinden. Die
gelbliche Erde ist kreuz und quer von Gräben durchzogen. Auf den bislang noch sehr
kleinen Raum gedrängt, wimmeln die Soldaten gleich Ameisen umher. Auch hier auf
dem Lande macht sich die Gefahr der auf Schienen beweglichen türkischen Geschütze
geltend, die die Flotte in so hohem Maße beunruhigen. Der Munitionsverbrauch ist
außerordentlich. Das kleine Strandstück von Kap Helles wurde allein an einem Tage
mit 134 schweren und 60 leichten Geschossen belegt . . ."
Der Untergang von „E 15" am 17. April 1915
Ueber die Vernichtung des englischen Unterseebootes „E 15" hat das türkische Haupt
quartier am 19. April 1915 folgendes bekannt gegeben: „Das Unterseeboot war, geschleppt
von einem Kreuzer, am 15. März von Plymouth abgefahren, eine Nacht in Gibraltar
geblieben und hatte sich von dort nach Malta und dann in den Hafen von Mudros auf
der Insel Lemnos begeben, wo es sechs Tage blieb. Nachdem es sich noch einen Tag
bei Tenedos aufgehalten hatte, fuhr es von dort um Mitternacht ab und drang um
2.20 Uhr früh in den Eingang der Dardanellen ein. Es tauchte um 2 1 / 2 Uhr unter, um
das Licht unserer Scheinwerfer zu vermeiden. Von der starken Strömung fortgerissen.