Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

192 Der türkische Krieg von Ende Februar bis Anfang August 1915 
überlegten noch, was der Landung der Engländer gegenüber zu tun sei, als auch schon 
der englische Oberstleutnant erschien und ihnen kurzerhand bedeutete, daß ihre griechische 
Gouverneurrolle ausgespielt sei. Andern Tages kam Admiral de Robeck, der englische 
Oberbefehlshaber der Flotte, selbst zur Stadt in Begleitung eines Mannes in Uniform, 
in dem die hocherstaunten Bewohner einen englischen Einwohner der Insel wieder 
erkannten, der in Tenedos das bescheidene Gewerbe eines Gewürzkrämers ausgeübt hatte. 
Der englische Admiral setzte ihn als neuen Polizeikommissar ein." 
8. April 1915. 
Nach einer Athener Meldung der „Tribuna" sind in Lemnos wegen Wassermangels 
und der dortigen ungünstigen Verhältnisse nur 5000 Senegalesen und Australier zurück 
geblieben. Die übrigen Landungstruppen wurden nach Alexandrien eingeschifft. Der 
größte Teil der Angriffsflotte befindet fich noch in der Mudros-Bai, die die Operations 
basis bildet, weshalb dort eine Wasserleitung und ein Hospital angelegt wurden. 
Ein griechischer Augenzeuge schreibt über die Truppenansammlung der Verbündeten 
auf Lemnos nach der „Kölnischen Zeitung" folgendes: „Mudros ist ein prachtvoller 
natürlicher Hafen, in dem Ende April 1915 insgesamt wohl 70 bis 80 Kriegsschiffe ver 
sammelt waren; die Transportschiffe lassen sich nicht zählen, da sie nicht dauernd im 
Hafen weilen. Vor einigen Wochen befanden sich etwa 20 000 Mann Landungstruppen 
auf der Insel — alle höheren Angaben sind absichtliche Falschmeldungen —, die dann 
nach Aegypten abgingen und durch neue, etwa 5000 Mann, ersetzt wurden, Franzosen, 
Senegalneger, Australier und Engländer, alle Waffengattungen. Die Franzosen nehmen 
sich traurig aus, sie sind schlecht bekleidet in Uniformen verschiedener Farben, unaus- 
gebildete Leute von 16 bis 50 Jahren. Kräftiger sind die Neger. Die Engländer und 
Australier haben gute Uniformen. Die Bewaffnung zeigt alle möglichen Systeme. Die 
Farbigen werden sehr hart behandelt und müssen die schwersten Arbeiten verrichten. 
Sie murren dabei, werden aber von ihren feingekleideten Offizieren wie Sklaven be 
handelt. Man gräbt Brunnen und schafft viel Munition an Land, so daß es aussteht, 
als ob ein Aufenthalt von Monaten geplant ist. Wenn die Soldaten an Land kommen, 
benutzen sie die Gelegenheit, um sich zu betrinken, und dann reißt die Mannszucht, die 
Offiziere werden beschimpft und bedroht, so daß ein Verbot des Alkoholverkaufs er 
lassen werden mußte. Die Verschiedenheit der Sprachen erschwert die Verständigung, 
man wird an den Turmbau zu Babel erinnert." 
19. April. 
Die Engländer haben, nach Meldungen des Pariser „Temps", den Mufti von 
Tenedos, Scherif Mehemed, weil er angeblich von den Höhen von Castrati Morse- 
Lichtsignale nach den Dardanellenforts gegeben haben soll, zum Tod durch den Strang 
verurteilt und das Urteil sofort vollzogen. 
26. April. 
Die Engländer treffen Vorkehrungen, auch Mytilene und Chios zu besetzen. Sämt 
liche für Truppenlandungen nötigen Vorbereitungen wurden aus den letztgenannten 
beiden Inseln getroffen. In Begleitung des englischen Generalkonsuls in Smyrna be 
sichtigte Oberst Dawley eingehend Mytilene und Chios. Dawley behandelte dabei die 
griechischen Behörden völlig als Luft. 
29. Juli 1915. 
England hat Griechenland offiziell den Entschluß der Alliierten mitgeteilt, provisorisch 
Mytilene gleichwie Lemnos aus ausschließlich militärischen Gründen zu besetzen. Die 
englische Note ist freundschaftlich und versichert, daß die Verbündeten die souveränen 
Rechte Griechenlands respektieren und die Insel räumen werden, sobald die Gründe für 
die Besetzung nicht mehr vorhanden seien.
	        
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