Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

174 Italien und der Vatikan während der ersten Kriegsmonate 
Wasser vergießt. Die schönsten Gegenden Europas, dieses Gartens der Welt, sind mit 
Leichen und Ruinen übersät. Da, wo vor kurzem noch die Tätigkeit der Fabriken und 
fruchtbare Feldarbeit sich entfaltet haben, dröhnen jetzt furchtbar die Kanonen und 
schonen in ihrer Zerstörungswut weder Dörfer noch Städte, und säen allerorten Ver 
heerung und Tod. Ihr, die Ihr vor Gott und vor Menschen die furchtbare Verant 
wortung für den Frieden und den Krieg tragt, hört auf unsere Bitten, hört auf die 
väterliche Stimme des Stellvertreters des ewigen und höchsten Richters. Ihr, die Ihr 
über Eure öffentlichen Unternehmungen, über Eure private Tätigkeit werdet Rechen 
schaft geben müssen: die überquellenden Reichtümer, die der Schöpfer der Welt Euren 
Ländern gegeben hat, ermöglichen Euch, den Kamps fortzusetzen; allein um welchen 
Preis, so fragen die Tausende junger Menschenleben, die jeden Tag auf den Schlacht 
feldern erlöschen; um welchen Preis, so fragen die Ruinen so vieler Städte und Dörfer, 
so vieler der Pietät der Ahnen zu verdankenden Denkmäler. Die in der Stille des 
häuslichen Herdes, an den Stufen der Altäre vergossenen bitteren Tränen, machen nicht 
auch sie offenbar, daß der Preis der Verlängerung des Kampfes groß, allzugroß ist? 
Und man kann nicht sagen, daß der ungeheure Konflikt ohne Waffengewalt nicht be 
endigt werden könne. Möge man von diesem gegenseitigen Willen der Zerstörung ab 
lassen! Bedenke man, daß die Nationen, wenn sie untergehen, wenn sie zu sehr erniedrigt 
und unterdrückt werden, das ihnen auferlegte Joch unter Knirschen tragen, und daß 
sie die Rache vorbereiten, indem sie von Geschlecht zu Geschlecht eine traurige Erbschaft 
von Haß und Rache überliefern. Weshalb soll man nicht von jetzt an mit ruhigem 
Gewissen die Rechte und gerechten Forderungen der Völker abwägen? Warum nicht 
gutwillig einen direkten oder indirekten Meinungsaustausch beginnen mit dem Zweck, 
nach Maßgabe des Möglichen diesen Rechten und Forderungen gerecht zu werden, und 
auf diese Weise zu einem Ende dieses schrecklichen Kampfes zu kommen, wie das früher 
unter ähnlichen Umständen geschehen ist? Gesegnet sei, wer zuerst den Oelzweig erhebt 
und dem Feinde die Hand und vernünftige Friedensbedingungen bietet! Das Gleich 
gewicht der Welt, der Fortschritt, die Sicherheit, die Ruhe der Völker, sie ruhen weit 
mehr noch aus dem gegenseitigen Wohlwollen und auf der Achtung vor den Rechten 
und der Würde des anderen als auf der Zahl der Waffen und auf den furchtbaren 
Festungsgürteln. Es ist ein Schrei nach Frieden, der sich unserer Seele in diesen trau 
rigen Tagen entringt, und wir laden die Friedensfreunde der Welt ein, uns die Hand 
zu reichen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen, der seit einem Jahr Europa in 
ein weites Schlachtfeld verwandelt. 
Möge Jesus, der Erbarmer, durch Vermittlung der Mutter der Schmerzen nach dem 
furchtbaren Sturm das strahlende, ruhige Morgenrot des Friedens, des Abbildes seines 
göttlichen Antlitzes, erstehen lassen, möge die Dankeshymne an den Allerhöchsten, den 
Urheber alles Guten, bald ertönen, nach erfolgter Versöhnung der Staaten. Mögen 
die neuverbrüderten Völker zurückkehren zu den friedlichen Arbeiten der Wissenschaften, 
der Künste, der Industrie; mögen sie, wenn das Reich des Rechts wiederhergestellt ist, 
beschließen, die Lösung einer Streitfrage von nun an nicht mehr der Schneide des 
Schwertes anzuvertrauen, sondern den Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit, die mit 
der erforderlichen Ruhe und Umsicht geprüft wurden. Das wird dann ihre schönste und 
ruhmvollste Errungenschaft sein. 
In der Zuversicht, daß die Friedensstimmen die Welt bald mit ihren so ersehnens- 
werten Früchten erfreuen werden, geben wir unseren apostolischen Segen allen denen, 
welche die mystische Herde bilden, die uns anvertraut, und auch denen, die der römischen 
Kirche nicht angehören. Wir bitten den Herrn, sie mit uns durch die Bande einer voll 
kommenen Nächstenliebe zu vereinigen."
	        
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