Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

172 Italien und der Vatikan während der ersten Kriegsmonate 
noch nicht alles zu seiner vollen Befriedigung geregelt. Besonders empfindlich sei der 
Uebelstand, daß er nicht mehr unmittelbar mit allen Gläubigen korrespondieren könne. Die 
italienische Regierung habe zwar das Chiffrengeheimnis für den Heiligen Stuhl ange 
boten, aber der Vatikan habe nicht angenommen, weil es zu gefährlich gewesen wäre, 
da man ihn der Indiskretion in militärischen Dingen hätte beschuldigen können. Leider 
werde auch die Zensurfreiheit, die ihm von der italienischen Regierung zugesichert war, 
nicht eingehalten. Seine Korrespondenz werde geöffnet, alle Verbindungen mit den 
Feinden Italiens seien auch für den Vatikan unterbrochen. Der Papst äußerte sodann 
Besorgnis wegen der Rückwirkung des Krieges auf Italien. Er wisse nicht, wie sich 
das Volk bei einem Siege und bei einer Niederlage benehmen werde. Er fühle sich nicht 
geschützt. In besorgtem Tone habe der Papst zum Schluß hervorgehoben, die Zukunft 
sei sehr dunkel, er werde freudig die erste Hand ergreifen, die sich ihm zum Zwecke der 
Friedensvermittlung biete. 
Die Veröffentlichung Latapies erregte überall größtes Aufsehen. Zunächst wiederholte die 
italienische Regierung durch eine Note der „Agenzia Stefani" ihre bereits am 1. Juni 
1915 abgegebene Erklärung, daß sie seit der Kriegserklärung Sorge trage, das Garantie 
gesetz peinlich genau und mit Weitherzigkeit anzuwenden. Dieses Gesetz wolle, daß der 
Papst frei mit den Bischöfen und der katholischen Welt verkehren könne. Infolgedessen 
seien dem Zensurbureau der Auslandspost genaue Weisungen ferteilt worden, daß alle 
Briefe des Papstes oder an den Papst sowie die Korrespondenzen der verschiedenen Kon 
gregationen sogleich an ihre Bestimmung befördert werden.! 
Von den Briefen, die an den Vatikan adressiert waren, seien zwei, die aus der Kriegs 
zone kamen, aus Versehen von der Zensurbehörde geöffnet worden. Der Minister- 
Präsident Salandra habe dem Papst sein Bedauern über den Vorfall aussprechen lassen; 
außerdem seien die Zensurbehörden auch der Kriegszone angewiesen worden, alle an 
den Heiligen Stuhl gerichteten oder vom Vatikan aufgegebenen Briefe frei passieren zu 
lassen. Aus die Beschwerde, daß Briefe des Staatssekretariats des Heiligen Stuhls nach 
Oesterreich nicht befördert worden seien, wird entgegnet, daß alle Briefe aus dem Vatikan 
pünklich über die Schweiz nach Oesterreich-Ungarn geleitet würden, daß aber Oesterreich- 
Ungarn zwei Briefe mit dem Vermerk „Zurückgesandt, weil aus kriegführendem Lande 
stammend", zurückgeschickt habe. 
Dann richtete der Erzbischof von Paris, Kardinal Amette, an den Papst wegen der 
Latapie-Unterredung einen Brief, in dem er Benedikt XV. auf die bedrohliche Stim 
mung der französischen Katholiken aufmerksam machte. Und der belgische Gesandte beim 
Heiligen Stuhl ersuchte den Kardinalstaatssekretär Gasparri, die Auffassung des Papstes 
bezüglich der belgischen Frage genau zu präzisieren. 
Dem Kardinal Amette hat der Papst in einem Schreiben vom 11. Juni erwidert, dem 
belgischen wie auch dem englischen Gesandten, der sich gleichfalls um Aufklärung an das 
Staatssekretariat gewendet hatte, ist am 1. und 6. Juli 1915 von Kardinalstaatssekretär 
Gasparri geantwortet worden. Inhaltlich decken sich diese Erklärungen mit der nach 
stehenden Note, die der „Osservatore Romano" am 24. Juni 1915 veröffentlicht hat: 
„Um unsere Leser und alle klugen unparteiischen Menschen aller Länder vor den willkür 
lichen Kommentaren und Interpretationen der Absichten des Heiligen Stuhles zu warnen, 
glauben wir, den von den Blättern veröffentlichten und besprochenen Bericht über eine 
Unterredung eines ausländischen Journalisten mit dem Papste nicht ohne Bemerkung 
passieren lassen zu müssen. Um diese Interpretationen und Kommentare abzubrechen, 
erinnern wir daran, daß zwischen den vom Heiligen Stuhl veröffentlichten Dokumenten 
und den privaten Publikationen ein wesentlicher Unterschied besteht. Was den euro 
päischen Konflikt betrifft, so ist die Absicht des Papstes nicht zweideutig, weil sie in
	        
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