Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

112 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht 
zerstäubt, bildet eine dicke graue undurchdringliche Wand. Es ist die Hölle. Aber die 
tapferen Verteidiger, die hier in die halbzerstörten Deckungen eingetreten sind, sind ent 
schlossen, sich bis zum letzten Tropfen Blut zu wehren. 
Der Abend naht heran. Die blendenden Strahlen der in tiefes Rot getauchten 
Sonne, die über der lieblichen Ebene mit ihrem Rebengeranke sich langsam zur Rüste 
neigt, spiegeln sich in den Augen der todesmutigen Verteidiger und hindern sie die 
Gefahr zu sehen, die aus Westen herannaht. Ungeheure Massen strömen heran. Linien 
auf Linien. Das Wäldchen speit sie aus, die Hänge östlich Sdrausstna sind mit ihnen 
dicht bedeckt, vom Jsonzo her wimmeln sie heran, den Nordwest-, ja auch den Nord 
hang des Plateaus zwischen Sdrausstna und Peteano klettern sie herauf, und weit rück 
wärts folgen den heranflutenden Wellen Reserven auf Reserven. Noch immer feuert 
die feindliche Artillerie, immer schneller und schneller, streut den ganzen Raum ab aus 
hundert Feuerschlünden, kein freies Plätzchen, wo nicht Eisen niederfährt. Di^ Luft 
klingt, Steine, Felsstücke, Eisenfplitter und Riesengeschosse durchqueren sie heulend. In 
den Wäldern krachen die Bäume nieder, brechen, bersten, mächtige Stämme zersplittern 
wie Glas. Die ersten Linien sind Bersaglieri, ihnen folgen immer neue Infanterie- 
kräfte. Unser Feuer mäht sie reihenweise nieder, aber die Lücken füllen sich, die wirren 
Haufen kommen schreiend und brüllend näher. Wildes, erbittertes, schonungsloses Hand 
gemenge beginnt. Handgranaten platzen in ununterbrochener Reihe. Der Kolben wütet, 
Hände würgen, es geht vor und zurück, auf und ab, auf und ab. Schreie, Todes 
röcheln, Brandgeruch, lohende Flammen, vom Feuerschein umzüngelte Silhouetten mit 
wutverzerrten Zügen. Immer noch kommen sie die Hänge herauf wie Heuschrecken 
schwärme. Es ist kein Kampf mehr, ein Stoßen, ein Drängen, ein Schieben. Die zu 
sammengepferchten Massen sind der Bewegungsfreiheit beraubt. Der Verteidiger in seiner 
verschwindenden Minderzahl wird so Schritt für Schritt bis auf die Höhe zurückgedrückt 
und dann noch ein Stück den Hang hinunter, bis Dolmen und Karstlöcher ihm Schutz 
gewähren. An diese klammert er sich an mit dem letzten Rest seiner Kräfte, denn schon 
kommt die Nachricht, daß in kurzer Zeit Unterstützung naht. Der Feind richtet sich auf 
der Höhe ein. Zähneknirschend muß es der schwer erschöpfte, aus vielen Wunden 
blutende Verteidiger geschehen lassen. Nun spielen die feindlichen Scheinwerfer, suchend 
streifen sie das Gelände ab. Sie finden kein Ziel. Wieder setzt streuendes Artillerie- 
feuer ein, das Gelände nach Truppenansammlungen abtastend. Die Gegner trauen der 
plötzlichen Ruhe nicht und wagen sich nicht weiter vor. 
Indessen streben vom Osten und Nordosten zurückgehaltene Kräfte die steilen, zer 
klüfteten Hänge heraus den verblutenden Kameraden zu Hilfe. Einzeln, dann wieder 
zu zweien, eine endlose Reihe schlängelt sich durch dorniges Gebüsch, tappt im schwachen 
Schein des Lichtes, das durch die Baumkronen dringt, zum Gipfel empor. Es dauert 
lange, lange. Nun stellen sie sich bereit, formieren sich zum Angriff, suchen die Ver 
bindung mit dem Nachbar auf. Endlich ist alles fertig. Das Zeichen kommt. Der 
Angriff beginnt. Der Mond ist längst verschwunden. Im dunkeln Dämmer stolpert 
man vorwärts, über Gerölle und Blöcke, durch Gestrüpp, das die Kleidung festhält, 
durch Löcher und doch geräuschlos. Kein Schuß, kein Laut, so ist der Befehl. Mancher 
zerschindet sich im Sturze Gesicht und Beine, er rafft sich wieder auf und folgt hinkend 
nach. Schon taucht in dunkeln Umrissen die Höhe auf, in ihrer Mitte das Trigono- 
meterzeichen, verzerrt und riesengroß, zum Himmel ragend. Es dient nun zum Rich 
tungspunkt. Noch hundert Schritte sind's, da kracht es oben los. Von uns antwortet 
kein Schuß. Mit erhobenem Kolben stürzt alles vor im tollen Lauf. Springend, 
kletternd, kriechend werden die steilsten Stellen überwunden. Noch hat der Feind kein 
Drahtnetz. Der rasch ausgeworfene Graben ist seicht und schmal. Wir sind im Hand-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.