112 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht
zerstäubt, bildet eine dicke graue undurchdringliche Wand. Es ist die Hölle. Aber die
tapferen Verteidiger, die hier in die halbzerstörten Deckungen eingetreten sind, sind ent
schlossen, sich bis zum letzten Tropfen Blut zu wehren.
Der Abend naht heran. Die blendenden Strahlen der in tiefes Rot getauchten
Sonne, die über der lieblichen Ebene mit ihrem Rebengeranke sich langsam zur Rüste
neigt, spiegeln sich in den Augen der todesmutigen Verteidiger und hindern sie die
Gefahr zu sehen, die aus Westen herannaht. Ungeheure Massen strömen heran. Linien
auf Linien. Das Wäldchen speit sie aus, die Hänge östlich Sdrausstna sind mit ihnen
dicht bedeckt, vom Jsonzo her wimmeln sie heran, den Nordwest-, ja auch den Nord
hang des Plateaus zwischen Sdrausstna und Peteano klettern sie herauf, und weit rück
wärts folgen den heranflutenden Wellen Reserven auf Reserven. Noch immer feuert
die feindliche Artillerie, immer schneller und schneller, streut den ganzen Raum ab aus
hundert Feuerschlünden, kein freies Plätzchen, wo nicht Eisen niederfährt. Di^ Luft
klingt, Steine, Felsstücke, Eisenfplitter und Riesengeschosse durchqueren sie heulend. In
den Wäldern krachen die Bäume nieder, brechen, bersten, mächtige Stämme zersplittern
wie Glas. Die ersten Linien sind Bersaglieri, ihnen folgen immer neue Infanterie-
kräfte. Unser Feuer mäht sie reihenweise nieder, aber die Lücken füllen sich, die wirren
Haufen kommen schreiend und brüllend näher. Wildes, erbittertes, schonungsloses Hand
gemenge beginnt. Handgranaten platzen in ununterbrochener Reihe. Der Kolben wütet,
Hände würgen, es geht vor und zurück, auf und ab, auf und ab. Schreie, Todes
röcheln, Brandgeruch, lohende Flammen, vom Feuerschein umzüngelte Silhouetten mit
wutverzerrten Zügen. Immer noch kommen sie die Hänge herauf wie Heuschrecken
schwärme. Es ist kein Kampf mehr, ein Stoßen, ein Drängen, ein Schieben. Die zu
sammengepferchten Massen sind der Bewegungsfreiheit beraubt. Der Verteidiger in seiner
verschwindenden Minderzahl wird so Schritt für Schritt bis auf die Höhe zurückgedrückt
und dann noch ein Stück den Hang hinunter, bis Dolmen und Karstlöcher ihm Schutz
gewähren. An diese klammert er sich an mit dem letzten Rest seiner Kräfte, denn schon
kommt die Nachricht, daß in kurzer Zeit Unterstützung naht. Der Feind richtet sich auf
der Höhe ein. Zähneknirschend muß es der schwer erschöpfte, aus vielen Wunden
blutende Verteidiger geschehen lassen. Nun spielen die feindlichen Scheinwerfer, suchend
streifen sie das Gelände ab. Sie finden kein Ziel. Wieder setzt streuendes Artillerie-
feuer ein, das Gelände nach Truppenansammlungen abtastend. Die Gegner trauen der
plötzlichen Ruhe nicht und wagen sich nicht weiter vor.
Indessen streben vom Osten und Nordosten zurückgehaltene Kräfte die steilen, zer
klüfteten Hänge heraus den verblutenden Kameraden zu Hilfe. Einzeln, dann wieder
zu zweien, eine endlose Reihe schlängelt sich durch dorniges Gebüsch, tappt im schwachen
Schein des Lichtes, das durch die Baumkronen dringt, zum Gipfel empor. Es dauert
lange, lange. Nun stellen sie sich bereit, formieren sich zum Angriff, suchen die Ver
bindung mit dem Nachbar auf. Endlich ist alles fertig. Das Zeichen kommt. Der
Angriff beginnt. Der Mond ist längst verschwunden. Im dunkeln Dämmer stolpert
man vorwärts, über Gerölle und Blöcke, durch Gestrüpp, das die Kleidung festhält,
durch Löcher und doch geräuschlos. Kein Schuß, kein Laut, so ist der Befehl. Mancher
zerschindet sich im Sturze Gesicht und Beine, er rafft sich wieder auf und folgt hinkend
nach. Schon taucht in dunkeln Umrissen die Höhe auf, in ihrer Mitte das Trigono-
meterzeichen, verzerrt und riesengroß, zum Himmel ragend. Es dient nun zum Rich
tungspunkt. Noch hundert Schritte sind's, da kracht es oben los. Von uns antwortet
kein Schuß. Mit erhobenem Kolben stürzt alles vor im tollen Lauf. Springend,
kletternd, kriechend werden die steilsten Stellen überwunden. Noch hat der Feind kein
Drahtnetz. Der rasch ausgeworfene Graben ist seicht und schmal. Wir sind im Hand-