102 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht
12. Juni überschritt feindliche Infanterie abermals den Jsonzo und ging zum Angriff
auf die Höhe 383 vor, wohin die Italiener das Feuer von etwa 80 Geschützen konzentriert
hatten. Der Gegner kam an unsere Stellung heran, wurde jedoch in erbittertem Nahkampf
derart geworfen, daß das Gros wieder auf das Westufer zurückflutete. Gegen tausend
gefallene Italiener blieben im Angriffsraume. Drei neuerliche Angriffe in der Nacht
zum 14. Juni wurden leicht abgewiesen. Ein am 14. Juni abends unternommener
Angriff brach blutig zusammen. Am 15. Juni beschoß der Gegner unsere Stellung
ununterbrochen unter ungeheuerem Aufwand an Munition. Die in der folgenden Nacht
unternommenen drei Jnfanterieangriffe gegen die Höhe 383 zerschellten an dem Wider
stand der tapferen Dalmatiner, ebenso ein am 16. Juni nachmittags von starken Kräften
unternommener Angriff. In der Nacht und am Vormittag des 17. Juni griffen noch
mals bedeutende Jnfanteriekräfte an, nämlich die Brigaden von Ravenna und Forli,
verstärkt durch die mobile Milizbrigade Spezia, und erlitten schwerste Verluste. Ge
fangene sagten aus, der König selbst habe angeordnet, die Höhe Plava um jeden Preis
zu nehmen. Am Mittag des 17. Juni war der Kampf entschieden. Der Gegner ver
schanzte sich vor unseren Stellungen und unternahm keinen ernsteren Angriff mehr. Die
Meldung über die Wegnahme eines österreichisch-ungarischen Maschinengewehrs ist er
funden, dagegen eroberten wir zwei italienische Maschinengewehre. Von glaubwürdigen
Aussagen Gefangener abgesehen, liegen in dem etwa 1200 Meter breiten Angriffsfeld
3000 unbestattete tote Italiener. Unsere Gesamtverluste an Toten, Verwundeten und
Vermißten erreichen bei weitem nicht diese Zahl. In den Kämpfen bei Plava mußten
unsere Truppen auch mit betrunkenen Italienern kämpfen, was an Gefangenen und
Verwundeten einwandfrei festgestellt worden ist; auch fand man in den Feldflaschen
Reste von Schnaps. Bei dem Gegner herrschen unklare Vorstellungen über die Genfer
Konvention. Verwundete sind von italienischen Soldaten bestialisch erstochen worden.
Am westlichen Ufer fuhren Munitionsautomobile für eine feindliche Motorbatterie unter
dem Schutze des Roten Kreuzes. Andererseits schickte der Gegner nach dem Gefecht
ein Detachement von Aerzten und Mannschaften knapp vor unsere Stellungen zur Ber
gung der Toten. Später erschien ein Leutnant, der sich als Parlamentär ausgab und
der ohne Besitz einer Vollmacht über die Beseitigung der Toten sprechen wollte. Der
artige Versuche zur Auskundschaftung werden mit Gefangennahme der betreffenden
Personen erledigt."
Der Armeeoberkommandant, Feldmarschall Erzherzog Friedrich, erkannte die
braven Streiter von Plava durch folgendes Telegramm an: Die Armee ist stolz auf
die braven Truppen von Plava. Nur so weiter."
Die Geschützouverture war von ungeahnter Stärke. Die berüchtigsten Munitions
verschwendungen der Russen wurden völlig in den Schatten gestellt; denn nach der Schätzung
des K. u. K. Brigadiers sind aus je einen Quadratmeter pro Stunde etwa 1000 Ge
schosse niedergefallen. Die Treffer aber waren mehr als spärlich. Der unbeschreibliche
Lärm freilich ergab einzelne Fälle von Nervenschock und — vorübergehenden — Psychosen.
Das Handgemenge muß furchtbar gewesen sein. In unerschütterlicher Ruhe ließ
die K. u. K. Infanterie die Sturmkolonnen bis auf nahe Distanzen herankommen und
eröffnete erst dann ein mörderisches Feuer. Die Italiener jedoch, in deren Reihen sich
zahlreiche im Tripoliskriege erprobte, kampfgewohnte Truppen befanden, ließen sich un
geachtet ihrer großen Verluste von der Vorrückung nicht abhalten, zumal sie wahrnahmen,
daß sich vor den österreichisch-ungarischen Stellungen keine Drahthindernisse befanden. Wie
toll stürmten sie heran. „Als die Italiener," so schreibt Leonhard Adelt im „Berliner Tage
blatt", „Linie auf Linie vorrückten, als die Lücken sich immer wieder schlossen und die glühend
heißen Läufe der Flinten und Rohre der Maschinengewehre des feindlichen Andrangs