Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

204 Die Ereignisse an der Westfront von Mai bis August 1915 
Stellungen einzudringen. Noch in der Nacht zum Montag unternahm das von dem 
Vorstoße betroffene tapfere Regiment einen Gegenstoß, an dem stch alles bis zum letzten 
Mann beteiligte. Es gelang uns auch, den Franzosen den von ihnen genommenen Teil 
unserer zweiten Stellung und die Verbindungsgräben wieder zu entreißen und hierbei 
eine Anzahl von Gefangenen zu machen. Aber auch der Feind ließ nicht nach. Um 
die Mittagszeit des 21. Juni erneute er mit frischen Kräften seine Angriffe auf der 
ganzen Linie. Westlich der Tranchse wurde er stets und auch an den folgenden Tagen 
unter sehr schweren Verlusten abgewiesen. Oestlich der Tranchse dagegen, wo die Ein 
drucksstelle sich immer noch in seinem Besitz befand, glückte es ihm, durch sie hindurch 
stoßend, wiederum Gelände innerhalb unserer Linien zu gewinnen. Er mußte hier also 
wieder hinausgeworfen werden. 
Für diese Unternehmung wurde das Morgengrauen des 22. Juni festgesetzt. Der 
Feind wurde anscheinend überrascht. Er räumte bei unserem Ansturm die Gräben unter 
Zurücklassung einer beträchtlichen Anzahl von Gefangenen. Nunmehr nahmen die Fran 
zosen unsere gesamten Stellungen unter tagelanges, schweres Feuer. Sie hatten zu diesem 
Zweck ihre dort schon vorhandene zahlreiche schwere Artillerie durch weitere Batterien 
schwersten Kalibers von anderen Fronten her verstärkt. Auch verwendeten sie in großen 
Mengen Geschosse, die bei ihrer Detonation erstickende Gase entwickeln. Die Wirkung 
solcher Geschosse ist eine doppelte. Sie wirken nicht nur durch ihre Sprengstücke, sondern 
sie machen durch die Gase auch im weiteren Umkreise sich aufhaltende Personen wenig 
stens für einige Zeit kampfunfähig. Um stch selbst dieser Wirkung dort zu entziehen, 
wo derartige Geschosse nahe der eigenen Infanterie einschlagen, trugen in den geschilderten 
Kämpfen alle Franzosen Rauchmasken. Gefangene geben ferner übereinstimmend an, 
ihnen sei besohlen worden, als wirksamstes Mittel gegen die erstickenden Gase ihre in 
menschlichen Urin getränkten Taschentücher vor Mund und Nase zu halten. Mit solchem 
Feind hatten wir während der nächsten Tage und Nächte unausgesetzt erbitterte Nah 
kämpfe zu bestehen. 
Die neuen Nahkampfmittel mit ihren furchtbaren moralischen Nebenwirkungen spielten 
auch hier wieder eine große Rolle. Hierher gehören insbesondere die Minenwerfer und 
Handgranaten verschiedener Konstruktion, diese auch, wie die Artilleriegeschosse, bei den 
Franzosen mit erstickender Gasentwicklung. Indessen zeigte sich schon am 22. Juni die 
unbestreitbare Ueberlegenheit unserer Infanterie über die französische. So oft wir zum 
Angriff schritten, konnten wir auch weit stärkere feindliche Kräfte werfen und besonders 
im Einzelkampf aus ihren noch so stark erbauten Stellungen vertreiben. Nur gegen 
das übermächtige Artilleriefeuer hatten unsere Truppen einen überaus schweren Stand. 
Sobald sie ein Grabenstück wiedergenommen hatten, richtete die feindliche Artillerie da 
gegen ein mörderisches Feuer, in dem ein Aushalten zu den physischen Unmöglichkeiten gehört. 
In diesen hin- und herwogenden erbitterten Kämpfen konnten wir der französischen 
Infanterie unsere Anerkennung nicht versagen. 
Immer wieder ließ sie sich zum Angriff vortreiben, ungeachtet unseres gut wirkenden 
Artillerie- und Jnsanterieseuers und ungeachtet des Feuers ihrer eigenen Artillerie, das 
rücksichtslos auch dorthin gelegt wurde, wo die französischen Schützen ihren Sturm aus 
zuführen hatten. Rücksichtslos waren die immer wieder frisch von rückwärts aufgefüllten 
Angriffstruppen, auch gegen sich selbst. Immer wieder stürmten sie über die Leichen 
ihrer soeben und während der letzten Kampftage gefallenen und in blutgetränktem Wald 
gestrüpp liegen gebliebenen Kameraden hinweg, immer wieder nützten sie Haufen dieser 
Leichen aus als Deckung gegen unser Feuer, ja verwendeten die Körper der tapfer Ge 
fallenen sogar als regelrechte Deckungsmittel, wo sie gezwungen waren, sich schleunigst 
einzunisten und einzugraben. Viele hundert Leichen bedecken den schmalen Raum zwischen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.