Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die italienischen Angriffe auf Tirol 
45 
Um den Tonale-Paß 
„Am 9. Juni 1915 mit Tagesanbruch," so berichtet Kurt Freiherr v. Reden der „Dosfischen 
Zeitung", „begann ein allgemeiner Angriff der Italiener gegen die südtirolische West 
front zwischen der Dreiherrenspitze und dem Massiv des Adamellogletschers, also beider 
seits des Tonalepasses, der den Uebergang in den Sulzberg (Val di Sole) vermittelt. 
Es war dies die erste etwas größere Aktion, die einen einheitlichen Gedanken erkennen 
ließ. Die angegriffene Front — fast durchwegs mit der politischen Grenze überein 
stimmend — hatte eine nordsüdliche Ausdehnung von etwa fünfzehn Kilometern, und die 
Kämpfe begannen fast überall gegen 7 Uhr früh, dauerten jedoch nur wenige Stunden. 
Von österreichisch-ungarischer Seite kamen lediglich ganz schwache Sicherungsabteilungen 
ins Gefecht, die ihre Ausgabe ohne jede Unterstützung durch Reserven glatt durchführten. 
Im Norden wurde eine kleine Skiabteilung aus der Forcellina di Montozzo durch eine 
italienische Halbkompagnie, also mehr als 100 Mann Alpini, angegriffen. Die Ski 
patrouille befand sich knapp an der Grenze aus dem schmalen Grat, von dem man — 
nahezu 2900 Meter hoch — tief in das breite, ganz baumlose Hochtal Viso hinabblickt. 
Auf dem kahlen Hange nahe des Lago Montozzo liegt eine kleine italienische Kaserne, 
in der die angreifenden Truppen wohl genächtigt hatten. Ein direktes Vorgehen von 
dort gegen den Grenzgrat wäre ganz ausgeschlossen gewesen, da jeder einzelne Mann 
auf diesem schwierigen Anstieg von oben ruhig abgeschossen werden konnte. Die Italiener 
marschierten daher noch in der Dunkelheit parallel zur Grenze nordwärts ab, erkletterten 
den Südhang des Ercavallo und griffen dann von dort aus über den sanft abfallenden 
Hang des Hochplateaus auf tirolischem Gebiete die Skipatrouille an. Es führt nämlich 
ein guter Saumweg aus diesem Raum durch das Montozzotal zu immer besseren Wegen, 
schließlich an den Straßenknotenpunkt bei Cogolo — von der Grenze etwa zehn Kilo 
meter entfernt. Die Umgehungsbewegung der Italiener war nicht nur geschickt erdacht, 
sondern auch durch den Morgennebel wesentlich begünstigt. Die österreichisch-ungarischen 
Horchposten hatten nach Mitternacht allerdings marschieren gehört, konnten aber bei 
Tagesanbruch nicht weit sehen, und so kamen die Italiener, als sich der Nebel hob, 
ziemlich nahe an unsere Patrouillen heran. Die Standschützen schossen, hinter Fels 
blöcken gedeckt, ausgezeichnet, einige östlich davon aufgestellte Geschütze griffen gleichfalls, 
also flankierend, in das Gefecht ein, und so endete der italienische Angriff am Nord 
flügel mit ihrem fluchtartigen Rückzug. Bei uns wurde ein Mann leicht verwundet. Zu 
gleicher Zeit griff eine andere italienische Halbkompagnie aus der Tonalestraße, also 
etwa sechs Kilometer weiter südlich, die Paßhöhe an. Auch sie wurden durch österreichisch 
ungarische Patrouillen zum Rückzug gezwungen. Beide Angriffe können eigentlich nur 
als scharfe Rekognoszierungen bezeichnet werden, die den Zweck verfolgten, einige Klar 
heit über die Stärke der österreichisch-ungarischen Grenztruppen und ihre Aufstellungs 
punkte zu gewinnen. 
Hingegen erfolgte ein ernsthafter Angriff, gleichfalls sehr geschickt und vorsichtig ge 
leitet, südlich der Tonalcstraße, im Gebiete des berühmten Presanellagletschers, der 
durchwegs auf tirolischem Gebiete liegend, im Westen und Süden von einem hohen, 
scharfen Felsengrat eingerahmt ist, der im Westen am niedrigsten mit 3000 Meter Höhe 
beginnt, sich scharf ostwärts wendet, gegen Süden bis 3300 Meter ansteigt und eine 
ungeheure, nur durch einige kleine Scharten unterbrochene Umfassungsmauer des tiefer 
liegenden Gletschers selbst bildet. 
Dieser sozusagen hochummauerte, südlich des Tonalepasses liegende Raum birgt in seinem 
nach Norden offenen Teil die recht gut gangbare Tiefenlinie des Val Presena, die unter 
halb des Gletschers beginnend, ungefähr parallel zur Tonalestraße nach Nordost führt. 
Gelingt es, diese ungesehen zu erreichen, so kann man auf diesem Wege unserer vordersten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.