Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

44 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht 
her, über die Höhe Filone Mont, ein ganzes Bataillon Alpini vor, wird unsere Auf 
merksamkeit dorthin abgelenkt. Auch von San Ranieri her sollen feindliche Abteilungen 
auf dem anderen Rücken im Marsche sichtbar sein. 
Wenn die braven Standschützen Französisch sprechen könnten, hätten sie sicher 
so etwas wie „tavt äs bruit“ gemurmelt. So leuchten nur ihre Augen vor Ver 
gnügen. Aus einem Posten stehen drei Generationen zusammen. Eine Familie. 
Großvater, Sohn und Enkel. Die Tochter trägt Proviant und Munition heraus 
und macht dabei täglich den gefährlichen Weg über das Eisfeld hin und zurück. 
Das sind Leute . . .! Ihre Heimatsscholle zu verteidigen, ist selbstverständlich 
eine heilige Sache. Haus und Hos zu verlassen, um sich in Sicherheit zu brin 
gen, wäre schimpflich: Drüben unter der großen Naglerspitze, knallt es schon. 
Großartig ist der Widerhall. Er rollt nach Norden, nach Osten, nach Süden, trifft 
überall aus Widerstand und kommt zurück, um wieder dorthin zu eilen. Nur ein flüch 
tiger Blick gleitet von der Besatzung des Monte Scorluzzo zu dem Gefechtsfeld im 
Süden hin. Aber was sich vor ihm auftut, befriedigt. Schon häufen sich die dunklen 
Punkte auf dem in der Nachmittagssonne in den herrlichsten Farben opalisierenden Eis. 
Keine Sorge, die kommen dort niemals hinauf und jene, die hier in aufgelöster Ord 
nung über steile Ränder hinaufkeuchen, erst recht nicht. Das Maschinengewehr tritt 
in Aktion und streut sie nach der Seite ab. Einer nach dem andern tut einen Luft 
sprung, wie die Gemse beim Blattschuß und bricht dann lautlos zusammen. Ihre Ver 
luste mehren sich, doch kommen sie näher. Auf dem nördlichen Teil des Hanges finden 
sie bessere Deckungen, dort sind sie schon ganz nahe. Auch wir werden weniger und 
weniger. Schon ist der Feind kaum mehr als hundert Schritte entfernt. Man sieht 
das Weiße im Auge der braunen Gesellen. Die Sache wird kritisch. Da prasselt von 
Norden her ein Geschoßhagel in ihre Flanke hinein. Dort hat sich eine Streifabteilung 
der Unseren unbemerkt genähert und richtet arge Verwüstungen in den Reihen des 
Feindes an. Der versucht zwar einen Haken gegen sie zq bilden, aber es gelingt nicht 
mehr. Noch einen Augenblick hält er stand, dann flutet alles zurück, verfolgt von un 
serem vernichtenden Feuer. Dasselbe Schicksal hatte früher der Zug, der gegen die 
Feldwache auf der Naglerspitze vorging, erlitten. 
Beide Angriffe wurden von Kräften abgewiesen, die dem Feinde weit unterlegen 
waren, und die ihr Siegesbewußtsein zu heller Begeisterung hob. Um diese Helden 
braucht niemand zu bangen. Die Patrouillen, die den Fliehenden aus den Fersen 
folgen, verhindern mit wenigen Schüssen die neuerliche Festsetzung, die der Feind noch 
zweimal versucht. Die tolle Flucht endet erst im Tale, wo neue Kräfte die arg zer 
zausten aufnehmen. Gefangene werden eingebracht, die furchtsam um sich schauen. 
Wer weiß, welche Schauermär man ihnen von uns erzählte. Sie wollen es nicht 
glauben, daß sie vor einem so kleinen Häuflein die Flucht ergriffen. Das geht weit 
über ihren Horizont. Bei ihnen wartet eine solche Minderzahl sicher niemals einen 
Angriff ab. Mit fast abergläubischer Ehrfurcht haften ihre Blicke aus uns. „Imxos- 
sibile!“ kommt es ein- über das anderemal von ihren Lippen. Wir bergen die Ver 
wundeten und bestatten die uns erreichbaren Toten, woran uns diesmal der Feind 
durch keine Beschießung hindert. Dann sinken die frommen Standschützen aus die Knie 
nieder und geben Gott die Ehre für den Sieg, den sie durch ihre Tapferkeit errangen. 
Ueber den Gletscherwänden hängt die Sonne und läßt sie herrlich erstrahlen, wie einen 
goldenen Riesenglorienschein. 
Länger als eine Woche sollen ein andermal die italienischen Toten im Schnee zwischen 
Ferdinandshöhe und der Cantoniera liegen geblieben sein, da sich die Alpini geweigert 
hätten, ihre Toten zu bergen; so wurde aus dem schweizerischen Münstertal berichtet."
	        
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