32 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht
in der Schale, frische Butter und Brot, dazu ein Wacholderschnaps, der, glaub' ich,
selbst den hartnäckigsten Scheintoten sofort dem Leben zurückgeben würde, zumal wenn
man ihm ins Ohr geraunt, daß er einen zweiten von der gleichen gediegenen Sorte ein
geflößt erhalten solle.
Um uns die ergrauten Standschützen, soweit sie nicht durch Wachdienst oder Patrouillen
in Anspruch genommen sind. Die Jüngeren halten sich bescheiden entfernt, sprechen nur
flüsternd, einige lesen, andere schreiben, so gut dies geht. Junge Bürschlein sind da
runter, kleiner noch, als wie es ihre fünfzehn, sechzehn Jahre vermuten lassen; zu den
hübschen, offenen, knabenhaften Gesichtern bilden ihre ruhigen Bewegungen und der an
gemessene Ernst, der sich in allem, was sie tun, ausdrückt, einen scharfen Gegensatz.
Einer dieser jungen Schützen, so plaudert ein Graubart, ein siebenzehnjähriger Gym
nasiast, der „schlechte Augen" hat, liegt als Wache hinter einem Felsblock; plötzlich steht
ein Alpino vor ihm: „Ergebben! Ergebben!" rufend. Der überraschte Schütze schlägt
sofort das Gewehr an. „Nicht ergebben!" schreit der tapfere Italiener und — wirft
seinen Schießprügel fort, um sich gefangen abführen zu lassen. Das gehörte freilich zu
den Ausnahmen, denn gerad' die Alpini zählen zu den entschlossensten und hartnäckigsten
Gegnern, die ihr Leben teuer verkaufen. Zwei Tage zuvor hatten sie am Kleinen Pal
eine aus drei Mann bestehende Patrouille von uns abgeschnitten, derart, daß diese aus
einem schroffen Felskegel hinter einigen Blöcken Schutz gesucht und von dort die zehn
fach überlegenen Feinde durch ihre sicheren Kugeln in Schach gehalten. Die Dämmerung
sank herein, die Dunkelheit folgte, die Italiener waren ihres Fanges sicher, ein Ent
rinnen gab's ja nicht! Sie mochten gar verdutzt dreingeschaut haben, als sie beim
Morgengrauen den Felsen leer fanden — die drei Tiroler hatten ihre Juppen, Hemden,
Hosen zusammengebunden und sich in die Tiefe gelassen, welch' Wunder ihnen, mit
einigen blutigen Abschürfungen, gelungen war. Lieber hatten sie abstürzen, als den
Italienern zum Opfer fallen wollen! Und nur eins erfüllte sie mit Genugtuung: daß
sie ihre Büchsen, so hinderlich sie ihnen auch gewesen, mitgebracht! — — —
Der Feldkurat Hermann S., der die Andacht gehalten, hat sich zu uns gesellt, ein
Kamerad unter Kameraden, aus dem gleich tüchtigen Holz geschnitzt, dem gleichen Boden
entsprossen. Bescheiden, tapfer, kernig, wie all' diese treuen Söhne des Landes. War
gestern abend oben in den höchsten Stellungen, um die heilige Messe zu lesen und eine
kurze Andacht zu halten. Drei Stunden hinaus, wohlgemerkt, für den geübten Berg
steiger; für jeden anderen deren fünf oder sechs. Hinter Steinen aus Steinen ein
kleiner Altar, schnell hergerichtet, mit ein paar winzigen Lichtlein, die man vorsichts
halber abblendet. Neun Uhr ift's, da sammeln sich leise zwei Dutzend der Tapferen,
und leise — denn der Feind ist nahe — spricht der Geistliche und nimmt dann die
Beichte ab. Auf aufgeschichtetem Heu wird, in empfindlicher Kälte, die Nacht verbracht.
Um die fünfte Morgenstunde, nach der Ablösung, stellen sich die anderen Mannschaften
ein, die bisher in den vordersten Stellungen gewesen. Jetzt findet für sie Gottes
dienst und Beichte statt. Dann strecken sich auf hartem Lager die müden Glieder aus,
während der Kurat sich von den beiden Offizieren verabschiedet und mit seinem Be
gleiter, der im Rucksack die wohlverwahrten gottesdienstlichen Geräte und das Ornat
trägt, den Abstieg unternimmt. Und halbwegs poltert ein prasselnder Steinregen über
ihn weg, den eine krachende italienische Granate verursacht!
Um die neunte Morgenstunde aber hielt der wackere Kurat vor uns den Gottesdienst
ab, und wird sich nun auf den Weg machen, um verschiedenen, entfernter wohnenden
Familien die Anordnungen ihrer Angehörigen, die hier die Wacht halten und sich nicht
um ihre Anwesen kümmern können, zu überbringen. Und innig klingt ihm, der sich
hurtigen Schrittes entfernt, das „Vergelt's Gott, Hochwürden" der Männer nach!"