28 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht
woraus sich die verhältnismäßig hohe Anzahl der Gefangenen erklären läßt, daß er aber
in schweren Nahkämpfen wieder hinausgeworfen wurde. Am kritischsten für die Oester
reicher scheint die Schlacht am 20. Juli gestanden zu sein, als es abends den Italienern
gelang, den Monte S. Michele zu nehmen und sich damit aus dem das Plateau beherr
schenden Punkt festzusetzen. In der Frühe des 21. Juli aber eroberten Reserven unter
Generalmajor Boog die wichtige Stellung, ehe sie der Feind nutzbar machen konnte, wieder
zurück; ebenso konnten sich die Oesterreicher aus dem Südwestrand des Plateaus und in
den Stellungen vor Görz behaupten; Tag und Nacht wüteten die erbittertsten Kämpfe
um eroberte und wieder verlorene Grabenstücke; gegen die Höhe von Podgora führten
die Italiener nacheinander zehn Jnfanterieregimenter zum Sturm, aber die Erfolge des
Tages wurden ihnen nachts wieder entrissen, so daß nach vier Tagen verlustreicher
Kämpfe der österreichische Bericht feststellen konnte, die alten Stellungen seien sämtlich
gehalten, wenn auch die Schlacht noch nicht abgeschlossen sei. In der Tat konnte auch
der italienische Bericht vom 22. Juli nicht mehr von positiven Erfolgen sprechen, sondern
mußte einräumen, daß die Schlacht in ihrem letzten Stadium den Charakter einer öster
reichischen Offensive getragen habe, in der neue Truppen ins Feld geführt wurden.
Der österreichische Gegenstoß richtete sich gegen den linken Flügel der italienischen Auf
stellung vor dem Doberdoplateau und hatte nach italienischer Auffassung den Zweck, den
Feind bei Sdrausstna und Sagrado über den Jsonzo zurückzuwerfen, die dort ge
schlagenen Brücken zu zerstören und das Zentrum und den rechten Flügel abzuschneiden
oder zu zwingen, auf das rechte Ufer zurückzugehen. Jedenfalls ist die Tatsache, daß es
den Italienern gelang, sich aus dem linken Jsonzo-Ufer zu behaupten, kein Fortschritt,
sondern nur die Vermeidung einer Niederlage, welche die italienische Aufgabe am Jsonzo
in die Lage zurückversetzt hätte, die sie bei Einleitung der Operationen am 7. Juni hatte.
Vom 23. Juli 1915 ab trugen die italienischen Angriffe das Zeichen der Ermüdung; sie
wurden nicht mehr mit derselben Wucht und Tapferkeit vorgetragen, die auch die öster
reichisch-ungarische Heeresleitung am Feinde vorher rühmen mußte, sondern konnten
leicht abgewiesen werden, was der italienische Generalstab mit dem Eintreffen großer
österreichischer Verstärkungen begründete. Erst am 25. Juli schienen sich die italienischen
Truppen von den verlustreichen Kämpfen, die nun eine volle Woche gedauert hatten,
erholt zu haben; denn es begann der zweite Abschnitt der Schlacht mit Angriffen
auf das Plateau von Doberdo, denen am 26. Juli auch neue Kämpfe am Görzer Brücken
kopf folgten. Wieder richtet sich der Hauptstoß gegen den rechten Flügel der öster
reichischen Doberdostellung am Monte S. Michele, der am 26. Juli zum zweitenmal
genommen wurde; zum zweiten Male aber mußten ihn die Italiener, wie sie selbst
melden, unter dem heftigen Kreuzfeuer zahlreicher feindlicher Batterien räumen. Im
Zentrum wollen die Italiener gegen den Monte S. Martino und am linken österreichi
schen Flügel gegen den Monte dei Bust Fortschritte gemacht haben. Ihr Schlußbericht
geht auf solche Einzelheiten und nachweisbare Dinge nicht mehr ein, sondern behauptet
nur sehr lakonisch und allgemein, daß sich die italienischen Truppen in den am Karst
besetzten Stellungen einrichten und daß an der übrigen Front die Lage „fast unver
ändert" sei. (Italienische Meldung Nr. 63.) Eine größere innere Harmonie zeigen die
österreichischen amtlichen Berichte. Aus ihnen erfährt man, daß der 27. Juli als der
letzte Schlachttag das Abflauen des Angriffs zeigte und daß die dritte Jsonzoschlacht
beendet ist. Die großangelegte Offensive der Italiener ist gescheitert, Görz, der Schlüssel
der Linie und die Türe zu den Straßen nach Laibach und Triest fest in den Händen
der Verteidiger, deren heldenhafte und zähe Abwehr in kritischen Augenblicken sich zu
kühner und entschlossener Stoßkraft steigerte und die mit berechtigtem Stolz als die treuen
Wächter der Monarchiegrenzen gerühmt werden ..."