Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

D i e Aufgabe der Schweiz 
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Major Suter, Hauptmann Gamper und des begleitenden Personals erwähnte und den 
herzlichen Empfang der Züge in Genf, Lausanne, Freiburg, Bern und Zürich noch be 
sonders hervorhob. 
Der französische Minister des Auswärtigen, Delcasss, richtete an den schweize 
rischen Bundesrat Anfangs August 1915 folgendes Telegramm: „Ich habe bereits die 
Gesandtschaft der Republik in Bern gebeten, dem Bundesrat die Gefühle der Dankbar 
keit des französischen Volkes auszusprechen für den warmen, herzlichen Empfang, der 
unseren heimkehrenden armen Schwerverwundeten und unseren Sanitätsmannschaften in 
der Schweiz zuteil wurde. Nachdem der Ministerrat genaue Kenntnis von allen Einzel 
heiten des eben beendigten Heimtransportes genommen hat, gibt er mir den ehrenvollen 
Auftrag, Eurer Exzellenz aufs neue den Ausdruck unserer tiefen Dankbarkeit gegen die 
eidgenössische Regierung, die zivilen und militärischen Behörden, das Rote Kreuz und die 
gesamte Bevölkerung der Schweiz zu übermitteln. Indem ich mich beeile, mich dieser 
sehr angenehmen Aufgabe zu entledigen, bitte ich Eure Exzellenz, die Versicherung meiner 
ganz vorzüglichen Hochachtung entgegenzunehmen." 
Die Aufgabe der Schweiz 
Was in der Schweiz und vor allem in Genf mit allen zur Verfügung stehenden 
Kräften zur Linderung der Kriegsnot getan wird, das zählt zum Edelsten und Besten, was 
ein kleiner, neutraler Staat in diesen trüben Kriegstagen zum Wohle der blutenden Mensch 
heit leisten kann. Aber mit der Linderung der Kriegsnot ist die Aufgabe der Schweiz 
noch nicht erschöpft. Von den vielen schönen und stolzen Worten, die darüber bisher 
gesprochen und geschrieben worden sind, mögen die folgenden zwei hier Raum finden: 
Professor Dr. E. Bovet, Zürich, schrieb im zweiten Oktoberheft des Jahrgangs 1914 
von „Wissen und Leben": „Die Schweizerseele, die in der Geschichte schon wiederholt 
unter fremdem Gold und in materieller Bequemlichkeit zu ersticken schien, wird durch 
diesen Krieg befreit; der Welt hat sie etwas zu beweisen: die Größe eines Volkes be 
steht weder in seinen Kanonen, noch in seinem Vermögen, sondern in der Selbstüber 
windung; die Demokratie lebt von den spontanen Opfern, die der Bürger dem Mit 
bürger bringt; sie schenkt keine Orden, sie kennt keine Rasse und keine Klasse; sie kennt 
nur die Menschenrechte und verleiht dem Aermsten die Menschenwürde. Wenn wir in 
diesem Glauben nicht unsere Einheit finden, dann war die Schweiz ein Spiel des Zu 
falles. Ich lebe aber, und viele leben mit mir in der Ueberzeugung, daß wir zu einer 
stolzen Aufgabe geboren wurden, und daß unsere Nation einer bessern Menschheit vorarbeitet." 
In dem Ende 1914 bei Rascher L Co. in Zürich erschienenen trefflichen Buche „Wir 
Schweizer, unsere Neutralität und der Krieg. Eine patriotische Kundgebung," sagt 
Dr. Robert Faesi: „Wir siehe« als Insel im tosenden Europa; wir sind berufen, wie 
es einer unserer Dichter nannte: die „Brücke Europas" zu werden. Wir sind berufen 
zum Mittler zwischen den feindlichen Brüdern. Wir find berufen, in der allgemeinen 
Not der Gegenwart das Gebot der Zukunft zu achten, und das verworfene Ideal des 
europäischen Einheitsgedankens wie ein Standbild, das im Tumult zu Boden gerissen 
wurde, im Stillen zu wahren, um es wieder ausrichten zu helfen, wenn der Grund auf 
gehört hat zu beben. Unsere Grenzen sind eng, unsere Aufgabe ist weit. 
Wir sind berufen, im Kleinen vorzumachen, was die Völker im Großen nachmachen 
müssen, wenn sich Europa nicht selbst vernichten will. 
Wir find berufen, ein Beispiel zu geben, den Beweis zu führen, daß Rasse und 
Sprache nicht unüberwindbar trennen; daß man mit verschiedenem Blut und mit drei 
Zungen nebeneinander leben und gedeihen kann."
	        
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