Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Der Einfluß des Krieges auf die Wirtschaft der Schweiz 309 
Genua aus weiterbefördert, die direkte Konnossemente von den amerikanischen Häfen nach 
der Schweiz hatten und auf den Namen schweizerischer Käufer lauteten. Allerdings 
konnten nach langwierigen Verhandlungen einige Milderungen erreicht werden, doch 
war der Transit durch Italien zeitweise völlig gelähmt. Gegen Ende 1914 lagen für 
100 Millionen Franken Schweizerwaren im Hasen von Genua (Rohbaumwolle, Mais, 
Kaffee, Reis, Schweinefett, Metalle u. a. m.). 
Nicht nur die Einfuhr vieler Lebensmittel war anfangs äußerst erschwert — Hafer, 
Mais, Bohnen u. a. m. kamen lange gar nicht ins Land — sondern auch verschiedene, 
notwendige Gebrauchsmittel waren kaum erhältlich. So waren z. B. die Benzinvorräte 
für industrielle und Verkehrszwecke in kürzester Zeit erschöpft — eine ausreichende 
Heeresreserve war allerdings vorhanden — Rumänien hatte ein Ausfuhrverbot aus 
Benzin erlassen und der überseeische Schiffsverkehr stockte; die Petroleumnot war lange 
Zeit eine große Kalamität, besonders dort, wo Gas und Elektrizität fehlten. 
Anfangs Januar 1915 erschien dann in der „Neuen Zürcher Zeitung" von „hervorragen 
der kommerzieller Seite" ein sehr scharf gehaltener Artikel: „Wohin steuern wir?", in dem 
England heftig angegriffen wurde, weil es in völkerrechtswidriger Weise und völlig 
unbegründet die Zufuhr der Schweiz und somit ihren ganzen Handel unterbinde. Die 
Handelsabteilung des britischen Generalkonsulats in Zürich veröffentlichte darauf eine 
(übrigens in ganz unerhörtem Ton geschriebene) Erklärung, in welcher der Schweiz 
der Vorwurf gemacht wurde, daß Sendungen aus England in irgendeiner Form in das 
von den Seemächten blockierte Gebiet der Zentralstaaten gelangten und dort die kriege 
rische Widerstandsfähigkeit derselben wirtschaftlich verlängern helfen. Bemerkenswert 
war jene Antwort aber besonders infolge des Vorschlages, daß die „legitimen Ver 
braucher" nach dem Vorbild des holländischen Einfuhrtrustes sich zusammentun und ge 
meinsam weitgehende Garantien bieten sollten, daß von den eingeführten Waren nichts 
in irgendeiner Gestalt nach Deutschland oder Oesterreich gelange. 
Ueber die langwierigen, bereits im Frühjahr 1915 begonnenen Verhandlungen, die 
zur Gründung des am 22. September 1915 vom Bundesrat genehmigten schweizeri 
schen Einsuhrtrusts, der 8ooists 8ai88s äs Surveillance economique (8.8.8.) 
führten, soll später bei der Behandlung der innerpolitischen Ereignisse der Schweiz im 
zweiten Kriegsjahr ausführlich berichtet werden. 
Handel und Gewerbe 
Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Kriegsausbruch 
zerfällt, wie Dr. Paul Hausmeister im „Stuttgarter Neuen Tagblatt" ausführt, in drei 
Abschnitte. „Die erste Periode ist gekennzeichnet durch die Fortpflanzung der Er 
schütterung bis zu den Grundfesten des Schweizerlandes und (unbeschadet der tadellos 
klappenden Mobilmachung des Heeres) durch einen Stillstand im ganzen Räderwerk. 
Die Nahrungsmittelversorgung und die Kohlenzufuhr stockten, die Fabriken feierten, das 
Bargeld war verschwunden und Papiergeld als Ersatz in ausreichender Menge nicht vor 
handen, Forderungen und Waren konnten nicht versilbert, unentbehrliche Gebrauchs 
gegenstände aber nur gegen Barzahlung gekauft werden, kurz die Wirklichkeit schien die 
schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Folgen eines Krieges für neutrale Reiche noch 
übertreffen zu wollen. 
Kaum war jedoch die erste Bestürzung überwunden und infolge der Wiedereröffnung 
der Verkehrswege in Deutschland, Frankreich und Italien ein Mindestmaß an regel 
mäßiger Zufuhr gesichert, da setzte — unterstützt durch die oben erwähnten Maßnahmen 
des Bundesrats — eine langsame, aber stetige Erholung auf allen Gebieten ein. So 
erhielt die etwa mit dem Oktober 1914 beginnende zweite Periode ihr Gepräge durch
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.