Vom schweizerischen Volk
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andere (wie es auch geschah), nicht gegen Frankreich, sondern als Welsche zu der
welschen Schweiz sprechen; damit der beschämende Hader ein Ende nehme. ... Vom
Tage an, wo Spitteler sie mahnte, haben die Schweizer einander wiedergefunden."
Ebenfalls im Aufträge der „Neuen Helvetischen Gesellschaft" sprach der Genfer Paul
Seippel über „Die heutigen Ereignisse vom Standpunkt der romanischen Schweiz".
Er hatte das ernstliche Bemühen, Deutschland zu verstehen, aber auch er machte den
bekannten Unterschied zwischen Regierung und Volk, genauer, zwischen dem „preußischen
Militarismus" und der deutschen Kultur. Einige Stellen seiner Rede sind besonders
bemerkenswert: „Für uns Schweizer ist die Rivalität zwischen Frankreich und Deutsch
land und der Kampf auf Tod und Leben, der zwischen den beiden Nationen entbrannt
ist, ein nicht wieder gut zu machendes Unglück. Das geistige Wesen dieser beiden Kultur
völker ist ja dazu angetan, sich gegenseitig zu ergänzen, und ihr Einvernehmen würde
für sie selber und die ganze Welt eine unschätzbare Wohltat sein. ... Es bestand kein
instinktiver und erblicher Haß unter ihnen. Verbrechen der Geschichte haben sie zu
Feinden gemacht." ... „Wir haben, wenn wir uns auf einen ausschließlich schweizerischen
Standpunkt stellen, dem heutigen Deutschland nicht das Geringste vorzuwerfen; es hat
uns gegenüber mit vollkommener Korrektheit gehandelt und alles getan, was ihm mög
lich war, um die Schärfe der wirtschaftlichen Krise zu mildern, die uns bedrohte. ...
In der ganzen neueren Geschichte und seit die Erinnerung an den Schwabenkrieg ver
blaßt ist, haben wir gewiß keinen Grund gehabt, uns über Deutschland zu beklagen....
Wer wird auf dem Gebiete des geistigen Lebens je das Maß der Dankbarkeit abschätzen
können, die wir dem Lande Kants, Goethes und Beethovens schulden! Und das sage
ich als romanischer Schweizer." — „Die Aufgabe der Schweiz aber ist es, schon während
des Krieges durch Werke der Menschenliebe dem Frieden die Wege zu bahnen."
Auch Paul Wernle, der bekannte Basler Theologe, hat in seiner kleinen Schrift:
„Gedanken eines Deutsch-Schweizers" (zuerst in den „Basler Nachrichten", dann bei
Rascher & Co., Zürich) schöne, schlichte Worte für Deutschland gefunden. Zwar bedauert
auch er die Verletzung der belgischen Neutralität und will sie nicht verteidigen; „aber das
dürfen wir sagen: einigermaßen verstehen, nach dem Grundsatz der Billigkeit verstehen,
das können wir allerdings." „Wir verstehen unter Billigkeit, daß man dem andern
nicht zur unverzeihlichen Schuld anrechnet, wofür man für sich selbst, wenn man in der
gleichen Lage stünde, sicher Entschuldigung beanspruchen würde." „Beklagenswert im
höchsten Fall bleibt es auch für uns, dieser Neutralitätsbruch hat unsern deutschen Sym
pathien einen harten Stoß gegeben. Aber wo sie vorher echt und tiefer waren, sind sie
dadurch nicht weggeweht." Wernle betont dann aber: „So stark beim Einzelnen seine
Sympathien mit dem deutschen stammesverwandten Nachbarvolk sein mögen, daß wir
nun einmal Schweizer sind und bleiben wollen, ist uns immer die erste
Selbstverständlichkeit." Von einem Abrücken von Deutschland, wie es Spitteler
befürwortete, will Wernle dagegen nichts wissen: „Wir würden selbst verzichten aus
einen guten Teil der Größe unserer Zeit, wenn wir gerade jetzt abrücken wollten von
unsern deutschen Freunden, da die allerfurchtbarste Not und Gefahr über sie gekommen
ist und es für sie hieß, siegen oder sterben für des Vaterlandes Erhaltung und Ehre."
Im Kanton Tessin, dem „Garten an der Sonnenseite", sind nur wenige zum
Kriege stellungnehmende Schriften erschienen. Außer einem feinen, jedoch ganz allgemein
gehaltenen Büchlein: „Blätter unter der Asche in Tagen lodernder Flammen" von Fran
cesco Chiesa, dem Tessiner Dichter (übersetzt bei Orell-Füßli, Zürich), ist die Schrift:
„Die Tessiner Frage" des in Tessin lebenden Deutschschweizers Hermann Aellen zu
nennen. Den eindringlichsten Beweis aber seiner aufrichtigen, gut schweizerischen Gesin
nung hat das Tessiner Volk durch die unerwartet herzliche, freundeidgenössische Aufnahme