Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

276 Frankreich während des zweiten Kriegshalbjahre 
In seiner Rede hob Millerand ferner hervor, daß die Mobilmachung bis jetzt mehr als 
den zehnten Teil der Gesamtbevölkerung Frankreichs unter die Waffen gerufen habe, und 
daß dieser militärischen Mobilmachung eine industrielle für die Bedürfnisse des Heeres 
gefolgt sei. Die Produktion an Geschossen jedes Kalibers erreiche 600 Prozent derjenigen 
zu Beginn des Krieges und habe schon 900 Prozent davon betragen. Die schwere Ar 
tillerie habe die Anzahl ihrer Batterien seit Beginn des Krieges verstebenfacht. 
Im Budgetausschuß der Deputiertenkammer erklärte der Minister des Innern am 
25. März 1915, daß 2800000 Gesuche um staatliche Unterstützung seitens der 
Familien Mobilisierter eingebracht worden seien, 2 430 000 Gesuchen sei stattgegeben 
worden. Zur schnelleren Erledigung der Berufungen, die bereits 77 000 betrügen, sei 
die Zahl der Mitglieder des Oberausschusses von 50 auf 100 erhöht worden. Der Unter 
halt, die Pflege und die Erziehung der sogenannten Kriegskinder, das heißt der 
jenigen im okkupierten Gebiet zur Welt gekommenen Kinder, deren Vaterschaft deutschen 
Soldaten zugeschrieben wird, soll auf Kosten des Staates übernommen werden, damit 
sie außerhalb ihrer Heimatsgemeinde in Unkenntnis ihres Ursprungs aufwachsen können. 
In ihrer Sitzung vom 3. April vertagte sich die Kammer auf den 29. April 1915. 
Der Senat hat am 12. März 1916 die von der Deputiertenkammer schon früher 
angenommenen Gesetze über das Absinthverbot und über die Aufhebung der 
Naturalisierung von Untertanen feindlicher Staaten in Frankreich, sowie das Gesetz 
über die Einberufung der Jahresklasse 1916 angenommen (vgl. S. 275). In 
seiner Sitzung vom 4. April 1915 bewilligte er nach kurzen Erklärungen Millerands auch 
den Gesetzentwurf über die Aushebung der Jahresklasse 1917 und vertagte sich 
dann auf den 22. April 1916. 
Die innere Politik der Tagung vom 29. April bis Anfang August 1915 
Die Deputiertenkammer nahm ihre Arbeiten am 29. April 1915 wieder aus, nachdem 
beschlossen worden war, auch weiterhin eine oder zwei Sitzungen wöchentlich abzuhalten. 
Von ihrem Recht, die Session nach fünfmonatiger Dauer am 12. Juni 1915 durch einen 
besonderen Erlaß für geschloffen zu erklären, wird die Regierung keinen Gebrauch machen. 
Unter den gesetzgeberischen Maßnahmen der Kammer sind vor allem die Verhandlungen 
über das Gesetz Dalbiez gegen die Drückeberger wichtig, das die Entsendung aller 
Beamten, Arbeiter und Militärpersonen im wehrfähigen Alter an die Front vorschlägt. 
Die Beratungen begannen am 6. Juni 1915. In der Sitzung vom 10. Juni bekämpfte 
Kriegsminister Millerand den Gesetzentwurf, der das regelmäßige Funktionieren aller 
für die Landesverteidigung arbeitenden Betriebe stören würde, da die Mehrzahl der 
Arbeiter nach Annahme des Gesetzentwurfes Dalbiez wieder mobilisiert werden müßte. 
Aufmerksam angehört, nur manchmal von Murmeln oder Zwischenrufen unterbrochen, 
ab und zu aus seinem gewaltigen Beweismaterial etwas vorlesend, suchte Millerand 
nach den Mitteilungen des Berichterstatters des „Berliner Tageblatts" darzulegen, daß 
dieser „Bluff Dalbiez" eine unkluge und sehr gefährliche Operation wäre und ermahnte, 
vor allem Deutschland gegenüber, an die Pflicht, welche die „heilige Einigkeit" gebiete. 
Ueber Einzelheiten berichtete Millerand: Er habe schon drei Wochen nach seinem 
Amtsantritt die Notwendigkeit der industriellen Mobilisation erkannt. Die Fabriken 
hätten aber weder das Material noch das Personal gehabt. Man habe dies nehmen 
müssen, wo man es gerade fand, trotz der Gefahr etwaiger Mißbräuche, denn Eile tat 
not. Durch seine verschiedenen Verfügungen seien über 650 000 Zurückgestellte ins Heer 
eingereiht worden. Man habe einen Teil der Eisenbahner freigeben müssen, da sonst 
der Dienst nicht hätte aufrechterhalten werden können. Millerand empfahl schließlich, beim
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.