Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

274 Frankreich während des zweiten Kriegshalbjahres 
Die Kriegötagung der französischen Kammern 
Die ordentliche Session des Jahres 1915. II 
Die wirtschaftlichen Maßnahmen sind aus den S. 281 bis 286 zusammengefaßt. 
Die äußere Politik 
Am 25. Mai 1915, in der Sitzung, in der der Beitritt Italiens zum Dreiverband gefeiert 
wurde, waren der Sitzungssaal der Kammer und die Tribünen dicht besetzt. In der Diplo 
matenloge war Tittoni anwesend. Präsident Deschanel hielt bei Eröffnung der Sitzung 
eine Ansprache, in der er sagte: „Wie vor 56 Jahren ist Italien mit uns. Wie hätte 
Rom, die Mutter des Rechts, den Verächtern der Verträge und der geschworenen Eide 
dienen können? Wie hätten die Erben des großen Venedig dulden können, daß die Adria 
ein germanischer See werde? Wie hätte die seine, geschmeidige Politik des Hauses 
Savoyen, das in den Dreibund nur eingetreten ist, um sich vor den Streichen seiner 
Jahrhunderte alten Feinde zu schützen, die Hand dazu bieten können, daß Serbien und 
das Aegäische Meer durch die Vorhut Deutschlands verschlungen werde? Nein! Rom, 
das nach Athen die Quelle allen Lichtes war, Rom, wo von Jahrhundert zu Jahr 
hundert immer wieder die Blume der Moral und der Schönheit wunderbar ausgeblüht 
ist, konnte in diesen höchsten Stunden nicht mit an den Stätten der List und der Gewalt 
sein! Jetzt steht es an seinem wahren Platze, in seinem wahren Range, gemeinsam mit 
den Vaterländern des Rechtes, des Ideales, mit den ewigen Stätten des Geistes. Und 
während aus den Tiefen des Ozeans die Klagen der unschuldigen Opfer, die Schreie der 
Kinder und Mütter, die durch ein furchtbares Verbrechen in die Tiefe gestürzt worden 
sind, das ganze denkende Weltall mit Schmerz und Zorn erfüllen, begrüßt Frankreich, 
dessen unbezwingliches Heldentum die Bemühungen der Barbarei zunichte gemacht, Frank 
reich, das mit Ruhm und ohne Ermatten die schwerste Last des Krieges trägt, Frank 
reich, das sein Blut nicht nur für seine Freiheit, sondern für die Freiheit der anderen 
und für die Ehre Frankreichs vergießt, brüderlich den Flug der römischen Adler als 
Vorzeichen des triumphierenden Rechtes. Es fühlt, wie von einem Ende der Welt zum 
andern das Herz zitternder Völker schlägt, derer, denen sich ein günstiger Augenblick 
bietet, und derer, die bekümmert und unterdrückt sind; es fühlt, wie ein Ausstand des 
Gewissens des Universums gegen den wahnwitzigen Stolz einer Raubkaste auflodert. 
Jetzt stehet aus, ihr Toten von Magenta und Solferino! Entflammet mit eurem Odem 
die beiden auf ewig in Gerechtigkeit verbundenen Schwestern!" 
Nach den ersten Worten Deschanels erhoben sich alle Deputierten und bereiteten Tit 
toni eine begeisterte Kundgebung. Die ganze Rede wurde von Beifallsrufen unterbrochen, 
auch nach der Rede erhob sich ein langer Beifallssturm. Der öffentliche Anschlag der 
Rede wurde einstimmig beschlossen. Darauf ergriff Ministerpräsident Viviani das Wort: 
„Namens der Regierung der Republik begrüße ich die italienische Nation, die sich mit 
dem Willen zu siegen erhoben hat. Von einem Ende der Halbinsel zum andern ist 
das ganze Volk mit dem ihm von Natur innewohnenden Enthusiasmus aufgestanden. 
Es erhob sich in einer Aufwallung seiner Würde, in Entrüstungsstürmen seiner Reinheit, 
nachdem es neun Monate lang ohne schwach zu werden das Schauspiel des Krieges be 
trachtet hatte. Es bejubelte seinen König, den würdigen Erben des großen Ahnherrn, 
der mit Cavour und Garibaldi die nationale Einheit begründete. Es wird für das 
Recht kämpfen, das mit der Kunst die herrlichste Gabe des Genies ist. Frankreich 
grüßt das unter seiner Rüstung zitternde Italien. So wird unsere wieder erblühte 
Brüderschaft sich verjüngen. Lassen wir jenen vibrierenden Schrei, denn er kommt aus 
unserem Herzen, über unsere Lippen dringen: Es lebe Italien!" Tosender Beifall er 
hob sich; einstimmig wurde beschlossen, auch diese Rede öffentlich anzuschlagen.
	        
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