Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 
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Diesen Vorwurf haben auch wir erhoben. Nun werden wir aber von wohlunterrichteter 
Seite dahin belehrt, daß unser Vorwurf unberechtigt ist, daß alles, was die Regierung 
bislang getan oder zu tun unterlassen hat, nicht aus Liebe zu England, sondern aus 
Furcht vor England geschehen sei. England vergewaltigt aber schon heute den 
amerikanischen Handel und will schon heute die amerikanische Politik bestimmen. Lassen 
wir erst England unsere Furcht erkennen, wird es uns ohne Besinnen das Messer an 
die Kehle setzen. Wenn aber England unser Feind ist, vor dem wir Furcht haben 
müssen, sollten wir umsomehr unsere Furchtlosigkeit hervorkehren und auf der Erfüllung 
unserer Wünsche bestehen, da England einer energischen amerikanischen Politik gegenüber 
gerade heute klein beigeben müßte oder sich zumindest keine Uebergriffe gestatten würde. 
England müßte, wenn wir eine rein amerikanische Politik verfolgen wollten, in diesem 
Augenblicke vor den Vereinigten Staaten Furcht haben." 
Zwar hatte die Regierung schon Ansang Januar 1915 versucht, die englische Kontrolle 
über amerikanische Handelsschiffe dadurch auf das nötigste zu beschränken, daß sie den 
Exporteuren auf Wunsch eigene Beamte zur Prüfung der Frachtbriefe und Ausstellung 
amtlicher Bescheinigungen zur Verfügung stellte. Erfolg hatte sie damit aber nicht; 
englische Kreuzer wagten bald darauf, wie der Führer der Opposition im Repräsen 
tantenhaus, Man, am 19. Januar 1915 erklärte, sogar in Sehweite von New 
Jork amerikanische Dampfer anzuhalten; und als dann „New Jork World" Mitte 
April 1915 ausführliche Mitteilungen über das Spionagewesen der Dreiver 
bandsmächte in den Vereinigten Staaten veröffentlichte, nach denen die Regierungen 
von Rußland, Großbritanien und Frankreich bereits im November 1914 mit der Pin- 
kerton Detektiv-Agentur ein Uebereinkommen zur Ueberwachung aller Handelsbewegungen 
abgeschlossen habe und 150 Agenten der Pinkertons in allen größeren Städten und 
Häfen die Schiffsladungen und Bewegungen überwachten, war die Erbitterung ungeheuer. 
Gleichwohl geschah nichts. Die so einträglichen Kriegslieferungen scheinen besänftigend 
eingewirkt zu haben und auch die Kirche, die, wenn sie erst einmal in Bewegung gesetzt 
ist, auf Regierung und Volk in Amerika mit unbedingter Zuverlässigkeit Eindruck zu 
erzielen vermag, schwieg vorerst. Das ist um so merkwürdiger, als die Amerikaner, die 
mit verschwindenden Ausnahmen begeisterte Anhänger der Weltfriedensidee sind und sich 
als solche auch politisch oft gebärden, nichts darin fanden, durch ihre umfangreichen 
Kriegsmateriallieferungen unmittelbar zur Verlängerung des Weltkrieges beizutragen, 
und doch einen allgemeinen Bettag für das baldige Kriegsende abzuhalten. 
Unter diesen Verhältnissen war die Stellung der Deutsch-Amerikaner eine sehr 
schwierige. In dem bekannten Buch von Wilhelm v. Polenz über Amerika heißt es 
zum Schluß: „Die Deutschen in Amerika sind für die Heimat verloren, wirtschaftlich 
fast vollständig und politisch ganz." Dieser Auffassung widersprach Dr. Strescmann in 
einem „Die Deutsch-Amerikaner und der Weltkrieg" betitelten, im „Schwäbischen Merkur" 
veröffentlichten Artikel, in dem es heißt: „Die Haltung der Deutsch-Amerikaner in dem 
jetzigen Weltkrieg gibt denjenigen recht, die glaubten, feststellen zu müssen, daß das 
Deutschtum in Amerika sich des Zusammenhangs mit seiner deutschen Abstammung und 
der deutschen Kultur bewußt geworden ist und sich mit Stolz dazu bekennt. Dem ersten 
jubelnden Telegramm des Plattdeutschen Vereins an den deutschen Kaiser, in dem sie 
ihn zu der Bundestreue gegenüber Oesterreich beglückwünschten, folgten große Kund 
gebungen der Deutschen in den großen amerikanischen Städten. Genau wie bei uns 
in Deutschland durchbrausen die Klänge der „Wacht am Rhein" und des „Deutschland, 
Deutschland über alles" nicht nur die großen Hallen der Versammlungen, sondern 
auch die Straßen der amerikanischen Städte. Immer wieder berichten die ame 
rikanischen Zeitungen, die trotz ihrer Deutschfeindlichkeit doch nicht an Sensationen vor- 
VLIkerkrieg. V. 20
	        
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