Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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Vielleicht 300 Meter über dem Rücken, an dem Ipern zugekehrten Abhang liegt 
Zonnebeke; Straßen und Plätze gleichfalls von Geschossen aufgeworfen, die Häuser viel 
fach, aber doch nicht so stark wie in Gheluvelt zerstört. Aber wie dort auch hier die 
vordem anscheinend reiche Kirche ein grauenhaftes Bild der Vernichtung .... Noch 
stärker wirkt das Bild der Zerstörung, wenn man den um die Kirche ziehenden Friedhof 
betritt. Nicht einmal die Toten haben in ihren Gräbern Ruhe gehabt, blieben von der 
Kriegsfurie verschont; Granaten haben ihre Bahn bis in die Särge gefunden und die 
Gebeine weit im Umkreis umhergestreut; Trichter bis zu sechs Metern Durchmesser sind 
nach Dutzenden zu sehen . . . 
Die Kanoniere einer Artilleriestellung sitzen bei ihren Geschützen, bereit, Tod und Ver 
derben zu speien, aber nicht ein Schuß wird^gelöst. Ruhig sitzt auf einem Karren im 
Feld ein Artillerist, um die Wirkung des von andern Batterien durchgeführten Bom 
bardements der feindlichen Stellungen wie von Ipern selbst zu beobachten. Alle Minuten 
etwa, es ist auffallend ruhig, wird ein Schuß gelöst, gleich darauf sieht man drüben, 
südlich von Saint-Jean, gelb-grünen Rauch aufsteigen; eine Granate wird neben die andere 
an den Waldrand gesetzt, man sieht, daß mit unheimlicher Genauigkeit geschossen wird. 
Ein Bauernhof steht zehn Sekunden nach dem Einschlag der Brandgranate lichterloh in 
Flammen, in Haufen sieht man durch das Glas die Engländer herausstürzen. Ipern 
selbst liegt fast in einer Staubwolke verhüllt da; etwa alle Minuten schickt man einen 
Gruß von unsern Linien hinein; die Explosionen, die hohe Staubsäulen auswerfen, sind 
deutlich zu sehen." Nach englischen Meldungen sollen innerhalb von 48 Stunden 20000 
deutsche Geschosse in den Stadtbezirk gefallen sein; so blieb kein einziges Haus unbe 
schädigt, und alle Zivilbewohner waren bis zum 1. Juni 1915 entflohen. 
In den Wäldern vor Ipern haben sich deutsche Truppen wohnliche Unterstände 
geschaffen. Der Kriegsberichterstatter Julius Hirsch erzählt davon anschaulich im „Neuen 
Wiener Tagblatt": „Die Wälder in Flandern sind selten. Einer unter ihnen aber ist 
ein Unikum, und wer längere Zeit darin haust, vergißt den Krieg, trotzdem er erfüllt 
ist von allem, was zum Krieg gehört. Eisenbahnschienen durchqueren den Wald, Rampen 
und Stationen sind mitten im Grün angelegt, eine Waldbahnbetriebsleitung hat sich 
unter einer mächtigen Baumkrone häuslich niedergelassen. Die Waldbahn führt auch 
einen Namen: Herzog Albrecht-Bahn. ß 
An wohlgesicherten Stellen halten ihre Lazarettzüge. In der Nähe liegt eine kleine 
Kolonie: der Hauptverbandsplatz mit Aufnahmeraum, Operationsbaracke und Schlaf- und 
Kasinoräumen für Aerzte und Sanitätspersonal. Hier arbeiten die stillen Helden des 
Krieges im weißen Operationskittel oft von früh bis abends . . . 
In der Operationsbaracke selbst ist es blitzblank vor Sauberkeit. Die Wände tragen 
hellgrauen Oelanstrich; in einem Kessel dampft .das Wasser, in dem die Instrumente 
gereinigt werden, daneben zwei Verbandtische, vier Tischchen, auf denen die Instrumente 
ausgelegt sind, zwei Stühle, Stellagen, auf denen viel Mull, Watte, Jod u. a. liegt und 
steht — das ist alles, was sich im Operationsraum befindet. Nicht weit davon hat 
sich die Sanitätskompagnie einen kleinen Gottesacker angelegt, für die wackeren 
Kameraden, die beim Samariterwerk gefallen sind. Auf den Gräbern blühen Blumen, 
an den Kreuzlein ranken sich Schlingpflanzen. Zwei deutsche Flaggen wehen zur Rechten 
und Linken der Eingangspforte, über der die alten, lieben Worte das Hohelied von 
deutscher Freundschaft künden: „Ich hatt' einen Kameraden . . ." 
An das Eisenbahngeleise grenzt ein Park mit wohlgepflegten, glatten Wegen, Rasen 
plätzen und Beeten. Das haben alles Soldaten angelegt und bepflanzt. Ein wundervoller 
Kurpark! Ein Wildbach.ist eingefangen worden, und seine Kraft treibt ein reizendes 
Wafferspielwerk. Auf einem Hügel mitten im Bächlein stehen, aus Blech geschnitten.
	        
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