Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

30 Das Deutsche Reich während des zweiten Kriegshalbjahres 
Und, meine Herren, dasselbe Spiel wie gegen uns, haben die römischen Staatsmänner 
auch gegen das eigene Volk getrieben. Gewiß, das Land italienischer Zunge an der 
Nordgrenze war von jeher ein Traum und Wunsch, innig begehrt von jedem Italiener. 
Aber doch ist dieser Krieg ein Kabinettskrieg, denn das italienische Volk in seiner großen 
Mehrheit wollte nichts von Krieg wissen, und auch die Mehrheit des Parlaments wollte 
es nicht. Noch im Mai haben die besten Kenner der italienischen Verhältnisse feststellen 
können, daß etwa vier Fünftel des Senats und zwei Drittel der Kammer gegen den 
Krieg waren und darunter die ernstesten und gewichtigsten Staatsmänner der ganzen 
letzten italienischen Epoche. Aber die Vernunft kam nicht mehr zum Wort. Es herrschte 
allein die Straße. Und die Straße war unter der wohlwollenden Duldung und För 
derung der leitenden Männer des italienischen Kabinetts, bearbeitet von dem Golde der 
Tripleentente, und unter der Führung gewissenloser Kriegshetzer in einen Blutrausch ver 
setzt worden, der dem Könige Revolution und allen Gemäßigten, die sich noch ein nüch 
ternes Urteil bewahrt hatten, Ueberfall und Mord androhte, wenn sie nicht in die Kriegs 
trompete mit stoßen wollten. 
Ueber den Gang der österreichisch-ungarischen Verhandlungen und das Maß der 
österreichischen Konzessionen war das Volk geflissentlich im Dunkeln gehalten. So kam 
es, daß nach dem Rücktritt des Kabinetts Salandra sich niemand mehr fand, niemand 
mehr den Mut hatte, eine neue Kabinettsbildung zu übernehmen, und daß in den ent 
scheidenden Debatten über die Kriegsvollmachten kein Redner der konstitutionellen Parteien 
des Senats oder der Kammer den Wert der weitgehenden österreichischen Konzessionen 
an die nationalen Wünsche des italienischen Volkes auch nur zu würdigen versucht hat. 
In dem allgemeinen Kriegstaumel sind die ehrlichen Politiker verstummt. Aber wenn 
durch die militärischen Ereignisse, wie wir sie hoffen und wünschen, eine Ernüchterung des 
italienischen Volkes eintreten wird, dann werden ihm auch die Augen darüber aufgehen, 
wie leichtfertig es in diesen Krieg hineingehetzt worden ist. (Lebhafte Zustimmung.) 
Wir, meine Herren, haben alles getan, um die Abkehr Italiens vom Bunde zu ver 
hüten. Uns fiel dabei die undankbare Rolle zu, dem treu verbündeten Oesterreich-Ungarn, 
mit dessen Armeen unsere Truppen tagtäglich Wunden, Tod und Sieg teilen, anzustnnen, 
die Vertragstreue des Dritten durch die Abtretung alter Erblande zu erkaufen. Daß 
Oesterreich-Ungarn schließlich bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen ist, 
das wissen Sie. Der Fürst Bülow, der von neuem in den aktiven Dienst des Reiches 
getreten war, hat die ganze Summe seines diplomatischen Geschickes, seiner genauesten 
Kenntnis der italienischen Zustände, seine Persönlichkeit und seinen Namen in unermüd 
licher Arbeit für eine Verständigung eingesetzt. Wenn auch seine Arbeit vergeblich ge 
blieben ist — das ganze Volk dankt sie ihm. (Lebhaftes Bravo!) 
Meine Herren, wir werden auch diesen Sturm aushalten. Von Monat zu Monat 
sind wir mit unseren Verbündeten immer enger zusammengewachsen. Von der Piliza bis 
zur Bukowina haben wir mit unsern österreichisch-ungarischen Kameraden monatelang 
gegen eine Riesenübermacht zäh ausgehalten. Dann sind wir siegreich vorgestoßen und 
vormarschiert. An dem Geiste der Treue und Freundschft und Tapferkeit, von dem die 
Zentralmächte unerschütterlich beseelt sind, werden auch neue Feinde zuschanden werden. 
Die Türkei feiert in diesem Kriege eine glänzende Wiedergeburt. Das gesamte deutsche 
Volk verfolgt mit Begeisterung alle einzelnen Phasen des hartnäckigen und siegreichen 
Widerstandes, mit dem die uns treu verbündete türkische Armee und Flotte die Angriffe 
der Gegner mit wuchtigen Schlägen zu parieren weiß. (Lebhaftes Bravo.) 
Gegen die lebendige Mauer unserer Krieger im Westen sind die Gegner bisher ver 
geblich angestürmt. Mag auch an einzelnen Stellen der Kampf hin- und hergewogt 
haben, mag hier oder dort ein Schützengraben oder ein Dorf verloren oder gewonnen
	        
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