Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

28 Das Deutsche Reich während des zweiten Kriegshalbjahres 
9. Oesterreich-Ungarn wird nach dem Abschluß des Vertrags eine feierliche Erklärung 
über die Abtretungen abgeben. 
10. Gemischte Kommissionen zur Regelung der Einzelheiten der Abtretungen werden 
eingesetzt. 
11. Nach Abschluß des Abkommens sollen die österreichisch-ungarischen Soldaten, die 
aus den abgetretenen Gebieten stammen, nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen. 
Ich kann hinzufügen, daß Deutschland, um die Verständigung zwischen seinen beiden 
Bundesgenossen zu fördern und zu festigen, dem römischen Kabinett gegenüber im Ein 
verständnis mit dem Wiener die volle Garantie für die loyale Ausführung dieser An 
erbietungen ausdrücklich übernommen hat (vgl. VI, S. 278). 
Oesterreich-Ungarn und Deutschland haben hiermit einen Entschluß gefaßt, der, wenn 
er zum Ziele führt, nach meiner festen Ueberzeugung von der überwältigenden Mehrheit 
der drei Nationen gutgeheißen werden wird. Mit seinem Parlament steht das italie 
nische Volk vor der freien Entschließung, ob es die Erfüllung alter nationaler Hoff- 
nungen in weitestem Umfange aus friedlichem Wege erreichen, oder ob es das Land in 
den Krieg stürzen und gegen seine Bundesgenossen von gestern und heute morgen das 
Schwert ziehen will. Ich mag die Hoffnung nicht ganz aufgeben, daß die Wagschale 
des Friedens schwerer sein wird, als die des Kriegs. Wie aber Italiens Entscheidung 
auch ausfallen möge, in Gemeinschaft mit Oesterreich-Ungarn haben wir alles im Be 
reiche der Möglichkeit Liegende getan, um ein Bundesverhältnis zu stützen, das im 
deutschen Volke feste Wurzel gefaßt hatte, und das den drei Reichen Nutzen und Gutes 
gebracht hat. Wird der Bund von einem der Partner zerrissen, so werden wir in Ge 
meinschaft mit dem andern auch neuen Gefahren unerschrockenen und zuversichtlichen 
Mutes zu begegnen wissen." 
Eine Kundgebung voller Ernst und Würde, brausend wie ein Orkan, durchrollte die 
Räume. Dann gab das Haus nach rascher Erledigung der Tagesordnung, Rechnungs 
sachen und die zweite Lesung des Gesetzentwurfes zur Einschränkung der Verfügung 
über Miets- und Pachtzinsforderungen, dem Präsidenten die Ermächtigung, die nächste 
Sitzung des Reichstags nach seinem Ermessen anzuberaumen. 
* * * 
Mit der Ehrlichkeit und dem schlichten Stolze eines gutens Gewissens hat der deutsche 
Kanzler inmitten einer Welt von Haß und Verblendung, von Lüge und Verleumdung 
und von wahnwitzigem Zerstörungssinn dargetan, wie weit Oesterreich-Ungarn und Deutsch 
land in dem ehrlichen Bestreben gegangen sind, die Ausdehnung und damit die Verlänge 
rung des Krieges und die Vergrößerung blutiger Opfer zu vermeiden. 
„Wo gibt's noch einen leitenden Staatsmann in dieser großen und furchtbaren Zeit/ 
schreibt die „Frankfurter Zeitung", „der so ohne Phrase, ohne Haß, ohne Ruhmsucht, 
mit einem fast naiven Glauben an die Macht der Wahrheit und der guten Sache in 
einem Parlament der kriegführenden Staaten sprechen kann. Das war deutsch. Der 
Sinn für Gerechtigkeit und für die Heiligkeit geschworener Verträge ist mit manchem 
anderen in diesem großen Völkermorden verloren gegangen, und nur noch selten tönt aus 
einigen neutralen Staaten germanischen Stammes seine Stimme wie etwas ganz selten 
Gewordenes zu uns. Aber es wird einmal eine Zeit geben, wo von Haß und Ver 
blendung freie Geister und Geschichtsschreiber gerecht urteilen werden über das Deutsch 
land dieses großen Krieges und über seinen neuesten Gegner Italien, das sinnbetört in 
den Krieg taumelte. Der Sache wegen hat der Reichskanzler gesprochen, um vor der 
Welt im letzten Augenblick noch die Wahrheit darzulegen, nicht aus Furcht. Und der 
stürmische Beifall des gesamten Reichstags und der Tribünen hat dieses schlichte, von 
Ruhmsucht und Drohung freie Bekenntnis bestätigt.
	        
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