Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

12 Das Deutsche Reich während des zweiten Kriegshalbjahres 
Der Reichskanzler hat dem Reichstagspräsidenten unter dem 7. Januar 1915 mitgeteilt^ 
daß der frühere Abgeordnete Or. Weill aus Beschluß des elsaß-lothringischen Mini 
steriums vom 3. Januar 1915 seiner Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt worden ist 
uno damit fein Mandat eingebüßt und Sitz und Stimme im Reichstag verloren hat. 
Die Prüfung des Mandats des Abgeordneten Wetterls wird der Geschäftsordnungs- 
kommisston überwiesen. 
Daraus eröffnete der Staatssekretär des Reichsschatzamtes, Dr. Helfferich, die Ver 
handlungen über den Reichshaushaltsetat mit einer ausführlichen Ansprache, in der er 
sich zunächst als den neuen Leiter der Reichsfinanzverwaltung vorstellte. Nachdem er 
dann in anerkennenden Worten seines Vorgängers gedacht hatte, fuhr er fort: 
„Das Vertrauen des Kaisers hat mich zum Machfolger des verdienten Mannes bestimmt. 
Der Entschluß, das verantwortungsvolle Amt aus mich zu nehmen, ist mir nicht leicht 
geworden. Vor mir sah ich und sehe ich ohne Unterlaß riesengroß die Aufgaben, die 
der Krieg, die der Friedensschluß und die schließlich die militärische und wirtschaftliche 
Wiederherstellung für den Leiter der Reichsfinanzen mit sich bringt. Aber ich wußte 
auch, daß ich nicht das Recht hatte, in solcher Stunde klein zu sein und zu verzagen. 
Das Soldatenherz, das in jeder deutschen Brust schlägt, sagte mir ein kategorisches: 
Du mußt! In diesem Geiste habe ich mein Amt übernommen, will ich es führen. Was 
ich meinem Kaiser gelobt, was ich mir selbst versprochen habe, das will ich an dieser 
Stelle vor den erwählten Vertretern des deutschen Volkes wiederholen: Meine ganze Kraft 
und meine ganze Person soll der Aufgabe gehören, die mir in dieser unerhört ernsten 
und schweren, aber auch unerhört großen und stolzen Zeit zuteil geworden ist. 
Ueber eines bin ich mir dabei klar. Die allererste Voraussetzung erfolgreichen Wirkens 
aus diesem schweren Posten ist das Vertrauen und die Unterstützung aller zur Mitarbeit 
Berufenen. Um dies Vertrauen und diese Mitarbeit bitte ich Sie eindringlichst. In 
schweren Tagen werde ich an Sie herantreten müssen mit Fragen, die gewaltige Inter 
essen auf das tiefste berühren, und das weiß ich im voraus: Ich werde nicht immer das 
Glück haben, mit Ihnen allen einer Meinung zu sein (zustimmende Heiterkeit), schon 
deshalb nicht, weil Sie ja aus sich selbst die Gepflogenheit haben, nicht am gleichen 
Strang zu ziehen und die Schuhe über den gleichen Leisten zu nageln. Aber ein Hauch 
des Geistes, der in diesem großen Krieg durch alle deutschen Lande und alle deutschen 
Klassen weht, wird auch künftighin Meinungsverschiedenheiten und Jnteressenkonflikte 
auch auf meinem Arbeitsgebiet abmildern. Ich weiß sehr wohl, daß Gegensätzlichkeiten 
der Weltanschauungen und der materiellen Interessen auch durch diesen Krieg nicht aus 
der Welt und dem deutschen Volke verschwinden werden, daß Sie nicht darauf verzichten 
können und dürfen, die Anschauungen und Interessen Ihrer Kreise, Berufsstände und 
Parteien zu vertreten. 
Was Lebenskraft hat und wachsen will, muß sich rühren und wehren. Das ist auch 
im Leben der Völker so. Nur darf die aus dem Leben geborene und Leben spendende 
Wärme nicht zur wieder zerstörenden und verheerenden Feuersbrunst werden. Der wohl 
tätige Widerstand, der hier eingeschaltet werden muß, ist das alles überragende Bewußt 
sein unserer deutschen Lebens- und Kulturgemeinschaft, die alles umfassende Liebe zu 
unserem großen deutschen Vaterlande. Ich werde mich nicht darauf beschränken können. 
Ihnen den Haushaltsentwurf für 1915 zu erläutern und zu begründen, zumal im. 
Etat nicht allzu viel zu sagen ist, sondern werde Ihnen im Anschluß an die Etats 
begründung einen Ueberblick der Lage auf dem finanziellen Kriegsschauplatz, 
geben, sowohl über die zu ergreifenden Maßnahmen, wie auch über die Maßnahmen 
unserer Feinde. Nur aus einem solchen Ueberblick heraus kann ich die Notwendigkeit 
des neuen außerordentlichen Kriegskredits von zehn Milliarden Ihnen näher bringen.
	        
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