Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Italiens Entschluß zum Kriege; von Anfang Mai bis zum 21. Mai 1915 29S 
Hierauf erhob sich Sonnino, von Kammer und Tribüne mit einer langen Sympathie 
kundgebung begrüßt, und legte das Grünbuch vor, eine Sammlung von diplomatischen 
Aktenstücken über die Verhandlungen mit der österreichisch-ungarischen Regierung. Darnach 
verließ die Regierung die Kammer, um ihre Erklärungen vor dem Senat zu wieder 
holen (vgl. S. 300). 
Der Vorschlag der Regierung, dem Entwürfe die Dringlichkeit zuzuerkennen, wurde 
von der Kammer in geheimer Abstimmung mit 367 gegen 54 Stimmen angenommen. Die 
Kommission zur Prüfung des Gesetzes trat darauf nach dem Antrag der Regierung sofort 
zusammen; die Sitzung der Kammer wurde solange unterbrochen. 
Um 5 Uhr erschien Präsident Mareora wieder im Sitzungssaal, ebenso die Minister. 
Vor dicht gefülltem Hause ergriff Boselli als Berichterstatter der Kommission unter leb 
haftem Beifall das Wort und erklärte, die Kommission schlage einstimmig die Annahme 
des Gesetzentwurfes über die außerordentlichen Vollmachten für die Regierung vor. 
Die Gründe dafür lägen auf der Hand, denn dieser Gesetzentwurf setze tatsächlich 
das Siegel auf das Werk der Regierung, welche die Stimme des Vaterlandes als 
Ratgeberin und das Gefühl für nationale Würde als Geleiter genommen habe. 
(Langanhaltender lebhafter Beifall.) „In dieser Schicksalsstunde, die uns in einem 
einzigen Willen vereinigt, wird das Votum der Kammer eine neue feierliche Bestätigung 
des unüberwindlichen und sicheren Glaubens an das Recht und an den Ruhm des Vater 
landes sein! Der Augenblick ist gekommen, unser den unerlösten Gebieten gegebenes Ver 
sprechen zu erfüllen"' (Beifall); zum Schluß hob er das Vertrauen auf die Armee, die 
Marine und den Herrscher, den Fortsetzer der ruhmvollen Ueberlieferungen seiner Familie, 
hervor. Eine stürmische Kundgebung antwortete ihm, alle Deputierten erhoben sich und 
applaudierten. Salandra und die anderen Minister drückten ihm unter neuem Beifall die 
Hand; das Publikum auf den Tribünen stimmte ein. Unter den Rufen: Hoch Italien! 
Es lebe der König! beglückwünschte auch der Kammerpräsident den Redner. Nach dem 
Abgeordneten Barzilai, der erklärte, die Kammer, die der Regierung umfassende 
Handlungsfreiheit gebe, habe volles Vertrauen zu ihr, sprach Turati und begründete 
ausführlich die abweichende Meinung der offiziellen Sozialisten. Der Republikaner 
Eolajanni verzichtete auf das Wort mit dem Rufe: Es lebe Italien! (Wiederholter Bei 
fall.) Ciccotti (Sozialist) sprach im Namen der anderen Sozialisten und erklärte, als 
Bürger und Sozialist glaube er, der Aktion der Regierung keine tatsächliche oder mora 
lische Hinderung bereiten zu dürfen. (Beifall.) „Wir befinden uns angesichts eines Ver 
teidigungskrieges!" Die Sozialisten, in deren Namen er spreche, hoffen, daß ein erneuertes 
Europa aus diesem Kriege hervorgehen werde, und daß man zu der so sehr gewünschten 
Abrüstung kommen werde; sie wollten den Fortschritt der Zivilisation von seinen Hinder 
nissen befreien. (Beifall.) Damit war die Diskussion beendet; in geheimer Abstimmung 
wurde der Gesetzentwurf mit 407 gegen 74 Stimmen angenommen. Darauf ergriff der 
Kammerpräsident, während die Minister und das Haus sich erhoben, das Wort und sagte, 
in dieser feierlichen historischen Sitzung hätte die Kammer den geheiligten Glauben an 
die Erinnerungen Italiens wiedergefunden; sie eile, ihre Pflicht gegen das Vaterland in 
dem festen Vertrauen zu erfüllen, daß die Eintracht, die Festigkeit, die Tapferkeit von 
Armee und Marine die Einigkeit des Vaterlandes vollenden würden. Es lebe Italien!" 
Der Präsident widmete dann dem König einige Worte und schloß mit einem Hoch, das 
von der Kammer mit wiederholtem, begeistertem Beifall aufgenommen wurde. Auf An 
trag des Ministerpräsidenten Salandra vertagte sich die Kammer auf unbestimmte Zeit. 
Nach Schluß der Sitzung wurde d'Annunzio abermals eine große Kundgebung bereitet. 
Alle Deputierten, die Journalisten und das Publikum sangen das Mameli-Lied in un 
beschreiblicher Begeisterung.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.