Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Mobilisation der Gemüter 
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„Schon rein im äußeren Gewände zeigten diese Blätter," wie der Berichterstatter 
der „Neuen Zürcher Zeitung" schrieb, „welches die Gefühle und Wünsche derer sind, 
die sie leiten, und auch, was beim Zeitungsleser am meisten Anklang findet. Tag für Tag 
wußten die riesigen Ueberschristen von einem Sieg der Franzosen, von einer entscheiden 
den Niederlage der Oesterreicher oder sonst von irgend einem diplomatischen oder mili 
tärischen Erfolg der Ententemächte zu berichten. Alle offiziellen Berichte des französischen 
Generalstabs erhielten in der Regel den Vorrang und wurden durch fetteren Druck 
ausgezeichnet, während man namentlich die österreichischen Darstellungen vielfach in 
irgend einem stillen Winkel unterbrachte. Dazu versah man sie mit ironischen Titeln, 
die den Inhalt bereits in Frage stellten oder lächerlich zu machen versuchten. Die mili 
tärischen Kommentare bemühten sich etwas mehr der Objektivität, konnten sich aber 
trotzdem von starker Voreingenommenheit für die Franzosen, Russen und Engländer 
kaum freihalten. Eine ständige Rubrik war den „deutschen Greueln" gewidmet. Hand 
in Hand damit gingen die Darstellungen von einem angeblichen Schreckensregiment in 
den italienischen Provinzen Oesterreichs und von angeblichen Rüstungen an der italienischen 
Grenze. Die populären illustrierten Zeitschriften, wie die „Domenica del Corriere" und 
die „Tribuna illustrata", brachten in ihren naiven Titelbildern nur Darstellungen von 
französischen Heldentaten oder deutschen Brutalitäten, und bei Schlachtenschilderungen 
zogen Deutsche und Oesterreicher beständig den Kürzeren. Was sich schließlich der „Astno" 
und die übrigen satirischen Blätter an giftigen Karikaturen des deutschen Kaisers und 
der deutschen und österreichischen Armee leisteten, überstieg jedes Maß. Die deutschen 
Soldaten werden dargestellt, wie sie sich damit vergnügen, Kinder aus die Bajonette zu 
spießen und über wehrlose Weiber herzufallen." 
Eine derartige Ententefreundlichkeit der italienischen Presse war natürlich nur infolge 
langjähriger Abhängigkeit vor allem von Frankreich möglich. „Der Weltbankier hatte 
die Weltpresse in der Hand und ließ sie in seinem Sinne berichten," schreibt Otto Röse 
in seinem Buche „Im römischen Hexenkessel" (Spemann, Stuttgart 1915). „Es war 
ein laufendes Geschäft, das der französische Botschafter in Italien betrieben hatte und 
nach dem gewohnten, aus besondere Leistungen schon zugeschnittenen System nur zu ver 
stärken brauchte, um die italienische Presse bei Laune zu halten. Den Pariser Groß 
banken ging zwar der Atem aus, dafür ist aber Renne! Rodd mit britischen Mitteln 
eingesprungen: Barröre hat das Geschäft persönlich in der Hand behalten, da er mit 
der Praxis vertraut ist und als alter Journalist auch mit der Kundschaft am besten 
umzugehen weiß. Alles wickelt sich leicht und gefällig ab, kein Formelkram, kein Quit 
tungszwang erschwert den Handel, der auf gegenseitigem Vertrauen beruht. Ueber- 
triebene Forderungen werden mit einem Lächeln abgelehnt, das niemanden verletzt. 
Unter alten Geschäftsfreunden versteht man sich, und neuen gegenüber läßt sich auf 
bewährten Brauch und üblichen Maßstab der Honorierung hinweisen. Das ist ein Ver 
kehr aus Treu und Glauben für Barröre wie geschaffen. Bei solchen „Transaktionen" 
zahlt man nicht so märchenhafte Summen, wie sie jetzt genannt und angestaunt, aller 
dings von Italienern selbst geglaubt werden, die nach der Höhe dieser Zauberschätze die 
Geschäftsklugheit und Bedeutung ihrer Presse bemessen und darauf stolz sind 
So war alles, was sich gegen Oesterreich-Ungarn oder Deutschland richtete, unein 
geschränkt erlaubt, während allzu spät eingeleitete Gegenbewegungen als Verstöße 
gegen die italienische Neutralität gebrandmarkt wurden. Schon der Verdacht einer 
noch so harmlosen deutschen Begünstigung löste Stürme von Entrüstung aus. Die 
deutsche Regierung hatte italienische Journalisten zur Besichtigung der Westfront auf 
gefordert. Daraus entstand für diejenigen, die der Einladung gefolgt waren, ein Ratten 
könig von Beleidigungs- und Ehrengerichtsprozessen, in deren Verlauf sich einer der Be
	        
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