Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

280 Italien und der Vatikan bis zum Ausbruch des italienischen Krieges 
sehen und dann doch wieder auf öffentliche Kundgebungen stoßen, die das Gegenteil zu 
beweisen scheinen. Das ist die Folge der bewundernswerten großzügigen Kampagne, die 
Frankreich, Belgien und auch Rumänien in Italien vor und während des Krieges zu führen 
verstanden haben. Mit welcher Beharrlichkeit darauf hingearbeitet wurde, Italien in 
den Weltkrieg zu verwickeln, auf welche Mittel diese Propagandisten verfielen, welche 
nach Millionen zählenden Summen im Interesse der Sache geopfert worden find, davon 
macht sich der Außenstehende auch nicht annähernd eine Vorstellung. 
Es ist sonderbar, daß ein organisatorisch so hoch begabtes Volk wie das deutsche 
in diesem Punkt hinter dem französischen zurückgeblieben ist, das alle Mittel zu benutzen 
verstanden hat, um sich bei der öffentlichen Meinung in Gunst zu setzen. Warum hat 
Deutschland es sich nicht ebenfalls angelegen sein lassen, neben der Herausgabe von 
Druckschriften öffentliche Vorträge zu veranstalten, warum hat es nicht durch Vorführung 
von Lichtbildern die großen Waffentaten seines Heeres und die errungenen Siege vor 
Augen geführt? Der Eindruck der Stärke und der militärischen Macht sind starke 
Elemente den Massen gegenüber, die davon gefesselt und bezwungen werden. Die Flug 
schriften von deutscher Seite, der „Corriere della Guerra" usw., sind zwar viel verbreitet 
und geben dem Gebildeten wertvolles Material für seine Urteilsbildung, finden aber 
keinen Anklang beim Volke, das sie nicht liest, da sie in einem zu anspruchsvollen und 
wenig leidenschaftlichen Stile geschrieben sind." 
Die Regie dieser Mobilisation der Gemüter, „mobilitazione degli animi“, wie sie 
Salandra genannt hat, lag in Meisterhänden; sie wurde vom französischen Botschafter 
Camille Barröre, „dem großen Mephisto, der Gretchen Jtalia verführt hat", und 
seinem englischen Kollegen Rennel Rodd geleitet. 
Renne! Rodd übernahm in der diplomatischen Aktion die Führung. Er drohte, 
Italien wirtschaftlich zu erdrosseln, wenn es im Dreibunde bliebe, und versprach ihm 
die Brennergrenze, Triest und Istrien nebst einem guten Stücke Kleinasiens, wenn es 
für den Dreiverband losschlüge. Barröre hielt sich scheinbar zurück, bearbeitete im Stillen 
aber um so eifriger die Presse und die „Piazza" (so nennen die Italiener die Politik 
des Straßenspektakels). Außerdem wußte er die wissenschaftliche Welt und die Gesellschaft 
zu gewinnen, wobei ihm der römische Korrespondent des „Temps", Jean Carräre, wie 
der geistvolle und gelehrte Kirchenhistoriker Abbs Louis Duchesne besondere Dienste leisteten. 
Beiden Italienern spielen Temperament und Phantasie eine ausschlaggebende Rolle; so 
vermochte Barröre durch Konzerte und Empfänge und durch den ganzen, mit ungeheuern 
Staatsmitteln in Szene gesetzten gesellschaftlichen Apparat die Ueberlegenheit der latei 
nischen Kultur über die deutsche vorzutäuschen und langsam mit kleinsten und großen 
Mitteln die französisch-italienische Verbrüderung herbeizuführen. 
Als Hauptagitationsmittel war die Presse ausersehen worden, die in Italien noch 
mehr als anderswo ebensosehr Ausfluß wie Schöpfer der öffentlichen Meinung ist. Und 
gerade die verbreitetsten Zeitungen Italiens zeigten sich fast ausnahmslos ganz un 
verhohlen dem Dreiverband geneigt und bevorzugten dessen meist völlig schwindelhafte 
Kriegsnachrichten, ergingen sich auch häufig in gehässigen Auslassungen gegen die Ver 
bündeten Italiens; so von römischen Zeitungen „Messagero" (das von hoch und niedrig 
meistgelesene Blatt), „Giornale d'Jtalia" (Hauptaktionäre Salandra und Sonnino), 
„Tribuna", von außerrömischen „Secolo" und „Corriere della Sera" in Mailand, 
„Stampa" in Turin. Eine deutschfreundliche Haltung dagegen zeigten in Rom die 
allerdings weniger verbreiteten Zeitungen „Corriere d'Jtalia", „Popolo Romano", 
„Vita" und „Vittoria" sowie außerhalb Roms der Neapeler „Mattino", in dem 
Eduards Scarfoglio, der nicht wie seine Gattin Matilde Serao von Anfang an zu 
Deutschlands Freunden gehörte, mit überzeugender Kraft für Deutschland eintrat.
	        
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