Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Verhandlungen der Dreibundmächte und der Vertragsbruch durch Italien 275 
seiner Meinung hervorgerufenen Krieg an die Seite seiner Verbündeten zu stellen, son 
dern sie nahm sogar dem Bündnis mit demselben Schlage seinen wesentlichen Inhalt 
und sein Daseinsrecht. Sogar das Abkommen über eine wohlwollende Neutralität, die 
durch den Vertrag vorgesehen war, fand sich durch diese Verletzung beeinträchtigt. Tat 
sächlich kommen Ueberlegung und Gefühl dahin überein, die Aufrechterhaltung einer 
wohlwollenden Neutralität auszuschließen, wenn einer der Verbündeten zu den Waffen 
greift zur Verwirklichung eines Programms, das den Lebensinteressen des anderen Ver 
bündeten strikt zuwiderläuft und zwar den Interessen, deren Wahrung den Hauptgrund 
gerade dieses Bündnisses bildete. Nichtsdestoweniger hat Italien sich mehrere Monate 
hindurch bemüht, eine Lage zu schaffen, die der Wiederherstellung der fteundschastlichen 
Beziehungen zwischen beiden Staaten günstig wäre, die die wesentliche Grundlage jeden 
Zusammenwirkens im Bereiche der großen Politik bilden. In dieser Absicht und in 
dieser Hoffnung erklärte die italienische Regierung sich bereit, aus ein Arrangement ein 
zugehen, das die Befriedigung der legitimen nationalen Ansprüche Italiens in billigem 
Ausmaß zur Grundlage hätte und das zugleich dazu gedient hätte, die vorhandene Un 
gleichheit in der gegenseitigen Lage der beiden Staaten am Adriatischen Meer zu be 
seitigen. Diese Verhandlungen führten jedoch zu keinem in Betracht kommenden Er 
gebnis. Alle Bemühungen der Kgl. Regierung stießen auf den Widerstand der K. u. K. 
Regierung, die sich nach mehreren Monaten nur zur Anerkennung besonderer italienischer 
Interessen in Valona und zum Versprechen einer nicht genügenden Gebietseinräumung 
im Trentino entschlossen hat, einer Konzession, die durchaus keine normale Regelung der 
Lage enthält, weder vom ethnischen, noch vom politischen oder militärischen Standpunkt 
aus. Außerdem sollte diese Konzession erst an einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich erst 
am Ende des Kriegs verwirklicht werden. 
Bei diesem Stand der Sache muß die italienische Regierung auf die Hoffnung ver 
zichten, zu einem Einverständnis zu kommen, und sieht sich gezwungen, alle Vorschläge 
zu einem Uebereinkommen zurückzuziehen. Denn es ist unnütz, weiterhin den Anschein 
eines Bündnisses aufrechtzuerhalten, das nur die Bestimmung haben würde, das tatsäch 
liche Bestehen eines beständigen Mißtrauens und täglicher Meinungsverschiedenheiten zu 
verschleiern. Aus diesem Grunde verzichtet und erklärt Italien im Vertrauen auf sein 
gutes Recht, daß es von diesem Augenblick an sich die volle Freiheit seiner Hand 
lungen wieder nimmt und seinen Bündnisvertrag mit Oesterreich-Ungarn 
für annulliert und künftig wirkungslos erklärt." 
Der K. u. K. Minister des Aeußeren, Baron Burian, hat daraus am 21. Mai 1915 
dem italienischen Botschafter die folgende Antwortnote der K. u. K. Regierung über 
reicht: „Mit peinlicher Ueberraschung nimmt die K. u. K. Regierung Kenntnis von der 
Entschließung der italienischen Regierung, aus eine so unvermittelte Weise einem Vertrage 
ein Ende zu bereiten, der, aus der Gemeinsamkeit unserer wichtigsten politischen Inter 
essen fußend, unseren Staaten seit langen Jahren Sicherheit und Frieden verbürgt und 
Italien notorische Dienste geleistet hat. Dieses Erstaunen ist um so gerechtfertigter, als 
die von der Königlichen Regierung zur Begründung ihrer Entscheidung in erster Linie 
angeführten Tatsachen auf mehr als neun Monate zurückgehen und als die Königliche 
Regierung seit diesem Zeitpunkt wiederholt ihren Wunsch kundgab, die Bande der Allianz 
zwischen unseren beiden Ländern aufrecht zu erhalten und noch zu verstärken, einen Wunsch, 
der in Oesterreich-Ungarn immer eine günstige Aufnahme und herzlichen Widerhall ge 
funden hat. Die Gründe, welche die K. und K. Regierung zwangen, an Serbien im 
Juli vergangenm Jahres ein Ultimatum zu richten, sind zu bekannt, als daß es nötig 
wäre, sie hier zu wiederholen. Das Ziel, welches sich Oesterreich-Ungarn setzte und das 
einzig und allein darin bestand, die Monarchie gegen die umstürzlerischen Machenschaften
	        
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