Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

272 Italien und der Vatikan bis zum Ausbruch des italienischen Krieges 
angezettelt haben. Fast alle Handelsvorteile, die Italien seiner Neutralität hätte ver 
danken können, ließen sich infolgedessen bei weitem nicht in dem Maße erzielen, wie es 
zu hoffen gewesen wäre. Und die wirtschaftliche Not, die aus alledem entsprang, hatte 
natürlich auch ihre politische Rückwirkung. Zum guten Teil erklären sich die Kriegsgelüste 
in einzelnen Schichten des Volkes aus der Verzweiflung über die schweren wirtschaftlichen 
Sorgen, die Volk und Staat in gleicher Weise bedrückten. 
Die Verhandlungen der Dreibundmächte 
und der Vertragsbruch durch Italien 
Das österreichisch-ungarische Ministerium des Aeußern hat am 25. Mai 1915 eine 
Reihe diplomatischer Aktenstücke mit einer einleitenden Denkschrift veröffentlicht, die ein 
klares Bild von den der italienischen Kriegserklärung vorangegangenen verwickelten Ver 
handlungen zwischen der österreichisch-ungarischen und der italienischen Regierung er 
geben. Zunächst wird darauf hingewiesen, daß, obwohl es dem Wortlaute und dem 
Geiste des Artikels 3 des Dreibundvertrages entsprochen hätte, wenn Italien bei Aus 
bruch des Weltkrieges an der Seite seiner Verbündeten in denselben eingetreten wäre, 
es sich dennoch und trotzdem der Angriff von Rußland ausging, der Erfüllung der 
Bündnispflicht entzog und dies durch allerlei an dem Text des Vertrages geübte Jnter- 
pretationskünste motivierte. Da Artikel 4 des Dreibundvertrages, sogar für den Fall 
einer aus defensiven Gründen von einem der Verbündeten ergriffenen kriegerischen Initia 
tive, die andern zu wohlwollender Neutralität verpflichtet, konnten Oesterreich-Ungarn 
und Deutschland also doch mindestens erwarten, daß Italien durch wohlwollende Neu 
tralität seine Verbündeten in dem ungeheuren Kampfe unterstützen werde. 
Anfangs trafen diese Annahmen zu. Die italienische Regierung beschloß am 
1. August 1914 (vgl. I, S. 59) die Neutralität Italiens, indem sie sich auf den Stand 
punkt stellte, daß das Vorgehen der Monarchie gegen Serbien einen aggressiven Akt 
gegen Rußland darstelle, eine Behauptung, die durch den bloßen Hinweis auf die be 
kannten umfassenden Vorbereitungen Rußlands für den Angriffskrieg gegen die beiden 
Zentralmächte widerlegt erscheint. Italien wies ferner auf die Gefahren des Welt 
krieges angesichts seiner exponierten geographischen Lage hin, was zutreffen mag, ohne 
daß Italien seiner Verpflichtung hierdurch entbunden gewesen wäre. Es betonte schließ 
lich, daß Oesterreich-Ungarn es verabsäumt habe, sich im Sinne des Artikels 7 des 
Dreibundvertrages vor den entscheidenden Schritten mit Italien ins Einvernehmen zu 
setzen. Dem letzteren Punkte gegenüber nahm die österreichisch-ungarische Regierung mit 
Recht den Standpunkt ein, daß der Artikel 7 des Dreibundvertrages, der dem Wort 
laute nach einzig und allein auf den Fall der Besetzung türkischen Gebietes anzuwenden 
war, auf den Fall eines Konfliktes mit Serbien keine Anwendung finden konnte, wes 
halb sie nicht verpflichtet war, vor einem diplomatischen Schritte in Belgrad, der noch 
nicht den Krieg bedeutete, wenn er auch dazu führen konnte, gewissermaßen die Ge 
nehmigung Italiens einzuholen. 
Der König von Italien aber antwortete am 2. August 1914 auf das Telegramm 
des Kaisers Franz Josef, der ihm mitteilte, daß er infolge der Einmischung Ruß 
lands in den Konflikt mit Serbien und der Mobilisierung der russischen Armee die all 
gemeine Mobilisierung verfügt habe, sowie der Befriedigung Ausdruck gab, auf die 
Unterstützung des Bundesgenossen rechnen zu können, folgendermaßen: „Ich habe das 
Telegramm Eurer Majestät erhalten. Ich brauche nicht zu versichern, daß Italien, 
das alle nur möglichen Anstrengungen unternommen hat, um die Aufrechterhaltung
	        
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