Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

270 Italien und der Vatikan bis zum Ausbruch des italienischen Krieges 
13. November 1914, nach dem alle unter Orderkonnossementen in italienischen Häfen an 
kommenden Waren, wenn sie unter das italienische Ausfuhrverbot fallen, das Land nicht 
verlassen dürfen. Aber trotz dieser Verfügung, die außer dem italienischen Handel nament 
lich auch die auf die Durchfuhr über Genua angewiesene Schweiz schwer schädigte, ist die 
englisch-französische Praxis keineswegs milder geworden. 
„In Genua, dem großen Versorgungshafen für ganz Norditalien und die Schweiz, stieg," 
wie Franz Lipp im „März" ausführt, „der Wirrwarr genau in dem Maße als das 
englische Generalkonsulat sein Personal an Beamten und Bediensteten, Hilfsarbeitern, 
Informatoren und Zuträgern vermehrte. Brotgetreide und Kohle wurden Italien vor 
enthalten, wochenlang. Die politische Erziehungsmethode, die das italienische Volk durch 
zukosten hatte, kam in einer Notiz aus einem lombardischen Städtchen zu Tage: dort 
stiegen der Preis des Kilo Brotes innerhalb sieben Wochen von 32 Cent, aus 60 und der 
für einen Doppelzentner Anthracit, als des „Nordwinds scharfer Zahn die armen Leute 
biß" von 5 Lire 25 Cent, aus 10 Lire. Noch Schlimmeres erduldete die Staatsverwaltung 
Italiens: ein Fünftel der Eisenbahnzüge mußte wegen andauernden Mangels an Heizungs 
material ausfallen. Der Affenfelsen im Westen von Gibraltar erwies sich als der sagenhafte 
Magnetberg aus 1001 Nacht, an dem Dutzende von Getreideschiffen aus Amerika hängen 
blieben. Die Konnossements und Schiffspapiere wurden nicht in Ordnung befunden. Ver 
gebens sind aus den Römischen Ministerien zahlreiche Delegierte mit außerordentlichen 
Vollmachten nach Gibraltar geschickt worden; sie richteten wenig aus. Nur in dem Maße 
als die Zahl der Konterbandegegenstände wuchs, die Italien aus der englischen Liste in 
seine eigene aufnahm, um sie den ehemaligen Verbündeten streng vorzuenthalten, wuchs 
langsam auch die Zahl der mit amerikanischem Weizen beladenen Schiffe, die endlich von 
jenem verwunschenen Felsen los kamen. Diese Erscheinungen standen unter einander im 
intimsten Konnex." 
Obwohl der Mangel an Getreide ganz besonders empfindlich war, hat sich die 
italienische Regierung nach Mitteilungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" doch 
erst verhältnismäßig spät, Ende Januar 1915, entschlossen, die Getreideversorgung des 
Landes selbst in die Hand zu nehmen. Sie richtete zu diesem Zweck beim Ackerbau- 
und Handelsministerium eine Behörde ein, die sowohl als Getreideeinkaufs stelle 
wie als Getreideverteilungsstelle zu wirken hatte und zunächst Einkäufer nach 
Nordamerika und nach Argentinien sandte. Aber diese kamen sehr spät mit ihrer Nach 
frage auf den Markt, und da der große zu deckende Bedarf ein gewaltiges Steigen der 
Preise bewirkte, waren sie genötigt, ihre Ankäufe zunächst zu beschränken. 
Die zweite Sorge der Regierung mußte es sein, diese großen Getreidemengen syste 
matisch und den Bedürfnissen entsprechend im ganzen Gebiet des Königreichs zu verteilen, 
damit durch Ansammlung übergroßer Vorräte in den Mittelpunkten des Imports und 
durch Mangel an Ware in den von ihnen entfernter gelegenen Gegenden keine Preis 
schwankungen entstünden und eine gleichmäßige Ernährung des ganzen Volkes gesichert 
würde. Zu diesem Zweck sind die „Provinzialen Getreidegenossenschaften" be 
gründet und durch Kredite der großen Bankinstitute mit dem für ihre Zwecke unentbehr 
lichen Kapital ausgestattet worden. Diese Konsortien hatten nicht nur den Bedarf und 
die Vorräte ihres Wirkungsgebietes zu ermitteln, sondern auch genaue Aufstellungen über 
die erforderlichen Transportmittel zu machen, woraus die Zentralbehörde die schwimmen 
den Frachten an die den verschiedenen Verteilungsgebietcn zunächst liegenden Häsen leitete. 
Schließlich verfügte die Regierung, um einen geringeren Verbrauch von Weizen herbei 
zuführen, daß vom 22. März 1915 ab nur noch eine einzige Sorte Brot mit einer Mischung 
von 80 Prozent Weizenmehl gebacken werden dürfe. Der Mangel war jedoch keineswegs 
auf den Weizen beschränkt; auch der Mais stieg um 40 Prozent seines Durchschnittswertes.
	        
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