Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Niederlande 
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trale Mittelstandsbank. Außerdem wurden für 19 Millionen Gulden Silberscheine in 
Umlauf gesetzt; auch fast sämtliche holländische Städte gaben Scheine aus, von fünf 
Gulden bis herunter auf fünf Cent, wie z. B. die Gemeinde Rhenen. Sodann nahm sich 
die Regierung der Beschaffung der Lebensmittel von Staats wegen an, so besonders der 
Weizeneinsuhr, denn es gab in Holland ein paar Wochen kein Weißbrot. Den Wider 
stand der Engländer überwand sie dadurch, daß die Lebensmittel und sonstigen Waren, 
die für die Niederlande bestimmt waren, direkt an die Regierung adressiert werden durften. 
Außerdem wurden Höchstpreise festgesetzt und Ausfuhrverbote erlassen, so vor allem für 
Petroleum, das in Holland noch für zwei Jahre vorrätig ist, für Weizen, für Käse und 
Butter, die später in einem gewissen Maße wieder freigegeben wurden, für Zucker, von 
dem 60 Prozent des Vorrats zur Ausfuhr frei stehen, und vieles andere. Auch die gesamte 
Rübenernte ist von der Regierung mit Beschlag belegt worden. Schließlich kam eine um 
fangreiche Arbeitslosen-Unterstützung zustande, die heute in 31 Gemeinden besteht. Darnach 
erhält der Verheiratete oder Familienernährer 5 bis 6 Gulden wöchentlich, der Unver 
heiratete über 20 Jahre 4 bis 5, unter 20 Jahre 2 bis 2,5 Gulden. Die Unterstützung 
wird halb von der Gemeinde, halb von der Gewerkschaft getragen. Der Staat ist in 
einer bestimmten Weise beteiligt, sehr bemerkenswert ist aber, daß die Gewerkschaft als 
Unterstützer überhaupt ausscheidet, sobald sie ein Viertel ihres Vermögens verausgabt hat. 
„Weder Statistik noch Berichte sagen dagegen etwas von den Profiten, die besonders 
in der ersten Zeit der hastigen Einkäufe in Holland gemacht wurden," fährt Ulrich Rauscher 
in seinem Bericht in der „Frankfurter Zeitung" fort. „Alle Landprodukte und Lebensmittel 
gehen in größeren Mengen und zu höheren Preisen nach Deutschland und England. 
Trotzdem wegen der englischen Minen die Frachten um mehr als 100 Prozent im Transit- 
handel gestiegen sind, trotzdem Südamerikas ungünstige Wirtschaftslage den Export lähmt, 
trotzdem die Einfuhr aus Deutschland und England unter den Vorsichtsmaßregeln beider 
leidet, damit die Güter nicht dem Feind zugute kommen, gibt es auf dem offenen Land 
keine Arbeitslosen, ja holländische Produkte haben die Stelle der ausbleibenden der krieg 
führenden Länder eingenommen, sind besonders in Skandinavien sehr in Aufschwung 
gekommen; so haben Industrie und Landwirtschaft, nach dem Zeugnis des Handels 
ministers, große neue Absatzgebiete gefunden. Schlecht daran stnd der Seemuschelverkauf 
und die Fischerei, die Heringsfischerei ausgenommen. Einen wirtschaftlichen Ausgleich 
der Verluste im Mutterlande brachten teilweise die holländischen Kolonien, in deren 
Hauptartikeln große Preissteigerungen eintraten, womit hohe Gewinne erzielt werden 
konnten. Die große Bedeutung des holländischen Kolonialreichs erhellt aus der bezeich 
nenden Aeußerung eines holländischen Staatsmanns: „Wenn wir die Kolonien verlieren, 
so find wir viel mehr als halbiert. Wir werden dann, was Dänemark ist, und können 
Eier auf den englischen Frühstückstisch liefern." 
Aus Grund der Rheinschiffahrtsakte können Waren des Transithandels, welcher 
Natur sie auch seien, nicht einseitig von Holland zurückgehalten werden. Doch find seit 
Kriegsbeginn eine Menge englischer Agenten unter Führung des viel genannten Handels 
attaches Sir Frank Oppenheimer an der Arbeit, um der holländischen Regierung immer 
wieder Klagen wegen angeblicher Konterbande vorzubringen. 
Als dann England am 2. März 1915 alle Waren, die für Deutschland bestimmt sind, 
und aus Deutschland kommen, als Konterbande erklärte, dursten an den Versandplätzen 
der neutralen Staaten Sendungen für Holland von den Transportlinien nur angenom 
men werden, wenn sie an die holländische Regierung oder an die sog. „Oversea Trust 
Company" in Rotterdam und Amsterdam gerichtet waren; später wurde auch die hollän 
dische Regierung als Empfängerin ausgeschaltet. Die „Oversea Trust Company" ist von 
der englischen und französischen Regierung unter Genehmigung der holländischen Regie
	        
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