Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 203 
werden lassen. Sie haben, wie der „Neuen Freien Presse" am 21. Mai 1915 aus dem 
Kriegspressequartier mitgeteilt wurde, „in diesem Bezirke eine förmliche Treibjagd auf 
Juden veranstaltet, haben das zusammengefangene Menschenwild, Männer, Frauen und 
Kinder vor ihre eigene Front postiert und dann gegen die Stellungen des Feindes ge 
trieben. Als gegen Anfang März 1915 zum erstenmal davon die Rede war, daß 
1500 jüdische Familien bei Kamiona und Tysmienica versammelt und gleich einer 
Viehherde als Schild der Russen vorgetrieben werden sollten, da haben sich die russischen 
Offiziere nicht entblödet, ihr Verbrechen in jene Form zu kleiden, die zwischen zivili 
sierten Heeren beim Verkehr mit dem Gegner üblich sind (vgl. S. 138, 139). Die 
donischen Kosaken in der Bukowina haben aufrichtiger, ehrlicher und ungeschminkter 
gehandelt. Sie haben nichts angekündigt und keinen Parlamentär bemüht. Die 
Juden, deren die Bluthunde habhaft geworden sind, wurden kurzerhand gegen die Feuer 
linie des Gegners vorgepeitscht. Die russische Menschlichkeit hat Fortschritte gemacht. 
Sie hat die Erfahrungen des japanischen Feldzuges ausgebildet. Dort war es üblich 
geworden, Viehherden vorzutreiben, um Minen zur Explosion zu bringen. Die „lieben 
Juden des Zaren" sind weit wohlfeiler als Viehherden, leichter zu ersetzen, und ihre 
Verwendung als Deckungsmaterial russischer Schützengräben erspart den russischen Ver 
waltungsbehörden mancherlei administrative Unbequemlichkeit, viel peinliches Kopf 
zerbrechen. Die Verbündeten in England und Frankreich aber, die Apostel der ver 
feinerten Kultur, die Lobpreiser der Menschlichkeit und des allumfassenden Mitleids, 
die sich in Erfindungen über die deutschen Grausamkeiten in Belgien erschöpfen, ihnen 
sei das Studium der Heldentaten donischer Kosaken auf das wärmste empfohlen." 
Die Kriegsschäden in Ungarn und Galizien 
Die verheerende Flut der moskowitischen Invasion hat namenloses Elend über Galizien, 
Teile von Ungarn und die Bukowina gebracht. Noch fehlen zuverlässige, amtliche Dar 
stellungen, aber schon aus Grund von privaten Mitteilungen kann man sich eine Vor 
stellung von der Vernichtung und Verwüstung der vom Feinde besetzten Landstriche 
machen. Das Leben war größtenteils, aber nicht immer, das einzige, was die Russen 
ihren „slawischen Brüdern" übrig gelassen haben. Die vielfach eingeäscherten Städte 
und Städtchen, Dörfer und Höfe boten Bilder trostlosester Verwüstung. Die Bevöl 
kerung ist in bestialischer Weise gemartert und bis aufs Blut ausgesogen worden. 
Ueber die Kriegsschäden in Ungarn im Komitat Saros, das nach den großen Ereignissen 
in Westgalizien binnen 48 Stunden von den Russen geräumt wurde, schrieb der Kriegs 
berichterstatter Dvortsak dem „Berliner Tageblatt": „Der von dem Feind besetzt gewesene 
Teil des Komitats Saros zeigt furchtbare Spuren der Verwüstung. Zboro ist der eine 
Endpunkt der gewesenen Saroser Front. Hier stockte die russische Offensive endgültig. 
Die große Ortschaft, die zweitausend Seelen zählte, liegt in Trümmern, ein Teil von 
ihr ist ganz vom Erdboden verschwunden. Den unzähligen russischen Doppelkreuzen 
nach scheint sie eher ein russischer Friedhof zu sein. Von hier aus kommt man durch 
ungebahnte Bergwege hindurch nach Kiskurima, das südwestlich von Zboro am Abhange 
des Makoviczaer Gebirges liegt- In dem kleinen ruthenischen Dorf, in dem kaum 
ein Haus ganz geblieben ist, hatte der Lehrer sich mit seinen Schülern Deckungen 
gegraben. Dort lebte er mit den geängstigten Kindern, tröstete und belehrte sie. 
Felsöcsebeny ist ein Bild der schrecklichsten Verwüstung. Nach dem Ausmarsch der Russen 
versammelte sich hier die ruthenische Bevölkerung zu einem Dankgottesdienst, den ihr 
infolge der rohen Behandlung durch die Russen schwer erkrankter Pfarrer nur mit Mühe 
vollziehen konnte. Ueber Felsöcsebeny erhebt sich der 670 Meter hohe Berg Carnahura. 
Dieser war der Schauplatz der heftigsten und blutigsten Kämpfe. Fünf volle Wochen
	        
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