Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

192 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
in den Häusern zur Mittagsstunde Lampen anzünden und die Straßen mit Fackeln 
überqueren mußte. Vielen schien es in der allmählich eingetretenen qualvollen Hitze 
eine Erlösung, daß aus dem unsichtbaren Himmel ein Regen niederzugehen begann. 
Aber der Regen kam siedend zur Tiefe nieder, er war schwarz, wie die Vulkane, die 
rundum dampften. Und keiner erkannte an den geschwärzten Gesichtern die nächsten Freunde. 
Gegen Abend des dritten Brandstiftungstages ergriff die Kosaken plötzlich das Flucht 
fieber. Von nicht allzuferne schon dröhnten die Schüsse der Honveds. Jetzt, da sie 
vielfach englisches und französisches Gut statt der deutschen und österreichischen Gruben 
aus Versehen angezündet hatten und ohnedies nicht ganze Arbeit mehr verrichten konnten, 
waren sie auf Geschäfte bedacht. Für je 30 Rubel, die ihnen die Grubeningenieure 
boten, gaben sie je eine Grube frei. Es gelang noch eine beträchtliche Anzahl zu retten. 
Ein wenig billiger war's für die Juden, die sie sonst gepeitscht hätten, die Boryslawer 
Holzbrücken, die die Kosaken gleichfalls zerstören sollten, heil zu erhalten. Für 
20 Rubel blieb jede Brücke ganz. Dann war der Abmarsch der Kosaken wilde, kopflose 
Flucht. Und aus den Höhen, an deren Fuß jetzt Behälter und Gruben in vollem Brande 
waren, standen die Russenbesieger, die Verfolger: die braven Honveds vom Uzskoker Paß." 
Die ungarischen und deutschen Soldaten machten sich sogleich daran, die Brände der 
Naphthawerke, die sonst monatelang währen können, einzudämmen. Nach dem Rat der 
Ansässigen, die die durch Blitzschlag entstandenen Naphthabrände so zu bekämpfen pflegen, 
erstickten sie die Quellenbrände durch Aufhäufung von Erde. Die Behälter, deren 
Eisenteile bei den Explosionen rotglühend und als weiche Masse umherspritzten, mußte 
man ausbrennen lassen. Die Menge des vernichteten Rohöls wird aus 80000 Tonnen 
geschätzt. Außer den Oelquellen und Raffinerien hat der Vormarsch auch einen zweiten 
wichtigen Industriezweig zurückgewonnen, nämlich die Erdwachsgruben von Boryslaw,- 
deren Produkt zur Kerzenfabrikation unerläßlich ist. Diese Gruben sind die einzigen in 
ganz Europa; ihre Jahresproduktion beträgt 20000 Meterzentner im Werte von drei 
Millionen Kronen. 
An den eingestürzten Holztürmen vorbei zogen die Truppen weiter. Drohobycz. 
war ihr nächstes Ziel. Immer noch fanden die Russen nicht die Kraft, sich energisch 
zur Wehr zu setzen. Die Stadt wurde befreit, jubelnd kamen den heranmarschierenden 
Abteilungen Deputationen der jüdischen und polnischen Bevölkerung entgegen. Wiederum 
Vormarsch. Aber hinter den Sümpfen im Norden der Stadt hatte sich der Feind ge 
sammelt. Verstärkungen waren eingetroffen, Befestigungen waren angelegt worden, 
starke Kräfte harrten des Ansturms. Harte Kämpfe begannen. Aber die Eroberer des 
Uzsoker Passes kannten kein Hindernis. Sie erzwangen sich den Durchmarsch auch hier, 
so oft auch der Gegner aus rückwärtigen Stellungen Verstärkungen herbeizog und neuen 
Widerstand zu leisten versuchte. 
Den Armeegruppen des Grafen Bothmer und Feldmarschalleutnants Hoffmann ge 
lang cs unterdessen, sich in den Kämpfen vom 17. bis 29. Mai 1915 den Zugang zu der 
stark befestigten und verteidigten Bezirkshauptstadt Stryj zu erkämpfen. Die Stadt wurde 
am 31. Mai erstürmt und damit der Besitz der beiden Bahnlinien nach Lemberg gewonnen 
(vgl. S. 164, 165). Aus die Nachricht von der Einnahme der Stadt Stryj hat König 
Ludwig von Bayern dem kommandierenden General v. Bothmer folgendes Tele 
gramm gesandt: „Tie Erstürmung von Stryj durch Ihr Armeekorps hat mich aufrichtig 
erfreut. Ich gratuliere Ihnen herzlich zu diesem zweiten großen Erfolg, den Ihre treff 
liche Führung errungen hat, und spreche Ihnen, Ihrem Generalkommando und Ihren 
tapferen Truppen meine wärmste Anerkennung aus." 
Auch König Friedrich August von Sachsen schickte Graf Bothmer ein herz 
liches Glückwunschtelegramm.
	        
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