Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 191 
sowohl weil englisches, französisches und belgisches Kapital daran sehr stark beteiligt 
war, als auch, weil die russische Heeresverwaltung sich die Produktion an Leuchtöl, 
Benzin und Schmieröl für ihre Zwecke nutzbar machen wollte. Vor ihrem Abzug aber 
ließen sie drei Sotnien Kosaken zurück zur gründlichen Zerstörung. Außerdem noch 
eine halbe Sotnie russischer Dragoner: die hatten die Nagaika gegen das Volk bereit 
zuhalten, wenn es mit der Vernichtung von Reservoirs und Gruben, von Tanks und 
Bohrtürmen nicht durchaus einverstanden sein sollte. 
Die Kosaken taten ihre Arbeit drei Tage lang, am 11., 12. und 13. Mai 1915, aufs 
-gründlichste, erzählt ein ausführlicher Bericht der »Leipziger Neuesten Nachrichten": 
»Im großen Halbkreis, rund um Boryslaw herum, zündeten sie der Reihe nach die 
-ärarischen Werke von Modricz, von Houbicz, zuletzt die Boryslawer Werke selbst an. 
Ihre Technik war dabei sehr einfach, sie bohrten erst die Reservoirs an, ließen das 
Oel ausfließen, dann warfen sie ölgetränkte Putzlappen, die. sie angesteckt hatten, in 
die vor den Reservoirs entstandenen Oelteiche. Als sie die Einrichtung der „Mann 
löcher" entdeckten, die sonst den Reinigern den Einlaß in die Behälter ermöglichten, 
hoben sie einfach die Deckscheiben der Löcher aus, so daß das Oel in noch breiteren 
Mengen den Kesseln entströmen konnte. Im übrigen waren sie Brandstifter von teil 
weise einfältiger Art. Fünf Mann liefen an einen Oelteich heran, rieben Zündhölzer 
an: der Teich flammte auf, die fünf Kosaken waren im nächsten Augenblick von den 
Flammen verzehrt. Ihre Kameraden blieben dann vorsichtiger. 
Die Rauchwolken stiegen nun schwarz und schwer über der ganzen Stadt empor. Sie 
nahmen solch gewaltigen Umfang, solch gewaltige Undurchdringlichkeit an, daß die Sonne 
am völlig klaren Himmel hinter dem Qualm verschwand und die Wärme des Sonnen 
tages in immer empfindlichere Kühle und endlich in eisige Kälte umschlug. Und mit 
dem Qualm durchzogen immer heftigere, atemberaubende Gase die Stadt. Von Zeit 
zu Zeit durchschüttelte sie ein furchtbarer Donnerschlag, wenn ein Kessel draußen am 
Hange ganz in die Luft flog oder die Gashauben der Kesseldächer vom Druck der sich 
-in der Kesselhöhle sammelnden, heiß gewordenen Gase zersprengt wurden. 
Inzwischen hatten die Kosaken die Stadt verlassen, um nach den Oelbehältern auch 
noch die Gruben selbst in Brand zu setzen. Sie machten sich an die 3000 hölzernen 
Bohrtürme heran, die den ganzen Raum zwischen Boryslaw und Drohobycz bedecken, 
die schnell aufloderten und die Flammen im Zusammenstürzen an die Naphlhaquellen 
selbst weitergaben. Sie schossen nun unmittelbar aus der Erde empor, zwanzig, dreißig 
Meter hoch und mehr, ohne daß irgendeine Möglichkeit bestand, an das Löschen auch 
nur einer der Flammenzungen zu denken. Es fehlte nicht bloß an Löschern. Gegen 
die Gewalt des Feuers selbst gab es auch keine Waffe und keinerlei Abwehr. 
Endlich standen so an sechzig Oelbehälter in Brand, darunter einige Reservoirs, die 
ullein 16000 Waggons Oel enthielten. Die Bohrtürme waren ja schnell genug in ihrem 
Holzwerk verraucht und verbraucht, aber 200 Naphthaqueüen selbst, deren Mund die 
Türme dargestellt hatten, brannten weiter. Nach sechs Tagen und sechs Nächten hatte 
der Schaden bereits 180 Millionen erreicht, die unaufhaltsam in die Wolken rauchten. 
Und dann wuchsen die Millionen immer noch. Denn viele der Behälter, die von den 
Kosaken nicht angezündet worden waren, entzündeten sich selbst durch die Hitze, durch 
die vom Winde herübergetragene Flamme der in naher Nachbarschaft brennenden Kessel. 
In Boryslaw wuchs mit dem Brande die Panik. Weiber rafften ihr Bettzeug zu 
sammen, schleppten es ans andere Ende der Stadt, das weiter fortlag von den Kesseln, 
sie suchten schreiend ein Unterkommen. In ihre Schreie gellte die Angst der Kinder, 
die nach ihren Müttern suchten, gellte die Todesfurcht von tausend Hunden, die durch 
die finstern Straßen jagten. Die Finsternis war endlich so dicht geworden, daß man
	        
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