Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Wiedererobcrung von Przemysl 183 
Als 3 Uhr 20 Minuten die Sonne blutigrot ausging, konnte der Divisionsstab er 
kennen, daß der Sieg unser war. Nicht nur die feindliche Hauptstellung war genommen, 
alle feindlichen Gegenangriffe unter schwersten Verlusten für den Feind abgeschlagen, 
sondern die Infanterie war sogar im siegreichen Vorgehen, um alles das vom Feinde 
zu vernichten, was sich noch in der zweiten und dritten Stellung befand. Nun konnte auch 
die Artillerie mit Tagesanbruch das wirksamste Verfolgungsfeuer aufnehmen. Hunderte 
von toten und verwundeten Russen lagen in den Stellungen. 1600 unverwundete 
Gefangene wurden zurückgeführt. Und als bald nach Morgengrauen unsere Geschütze 
ihre Morgengrüße nach Rymanow sandten und dem Feinde auch diesen Paß sperrten, 
da freute sich jeder, daß die Opfer nicht umsonst gebracht waren". 
Wie in kühnem Vordringen der Wislok-Fluß erreicht und die Stadt Kowno 
von einer ungarischen Eskadron und einer deutschen Radfahrerabteilung genommen wurde, 
erzählt ein österreichisch-ungarischer Husarenoffizier L. v. B. in einem Feldpostbrief, der 
im „Neuen Wiener Tagblatt" veröffentlicht worden ist. Er schreibt: „Die Radfahrer- 
abteilung wird zuerst instruiert. Sie eilt uns voraus. Den Oberkörper weit vornüber 
gebeugt fahren sie an. „Heil und Sieg!" wünschende Rufe begleiten sie. Noch glänzt 
der Mond. In seinem Licht erscheinen die Speichen der Räder im drehenden Wirbel 
wie leuchtende Kugeln. Wir traben an. Die schlafende Welt ringsumher bekommt Leben, 
stammelt, flüstert, reckt sich. Gibt sie uns ihre Wünsche mit? In den Kronen der alten 
Eichen schlingt sich der Nebel wie ein Elfenreigen. Wir traben scharf. Der Rittmeister 
will den kühlen Morgen ausnützen. Im Osten dämmert es schon. Am blauen Himmel 
schwimmen rosenrote Lämmerwölkchen. Die Sonne schiebt das Morgenrot vor sich her. 
Nach einer Stunde erreichen wir den Kamm der linken Talbegleitungshöhen. Wenige 
Kilometer von uns schlingt sich ein scheinbar unbewegliches silbergleißendes Band: der 
gewundene Lauf der Jasiolka. Der Sonnenball steigt auf. In den Fenstern der Ge 
höfte beiderseits der Straße blitzen und blinken seine goldroten Strahlen. Vor uns in 
der lichtüberfluteten Ebene, auf der Straße, wirbelt an einzelnen Stellen Staub auf in 
trichternder Form; Radfahrer, die Meldungen bringen, verursachen ihn. Die große Stadt 
im Osten am Wislok, Kowno, schwimmt im ersten frischen Morgenstrahl. 
Ihre Kirchtürme glänzen wie in flüssiges Gold getaucht. Nach einer kurzen Schritt 
pause gehen wir wieder in Trab über. In den Gräsern glitzert der Tau, Millionen 
Tropfen hängen am Blattwerk, Freudentränen, die uns grüßen. Die erste Meldung 
trifft ein. „Die Brücke über die Jasiolka ist zwar ganz verstopft, aber intakt. Fahr 
zeuge, verwundete und verendete Pferde, Haufen von Leichen versperren die Bahn. Unsre 
Schrapnells haben sie hingestreckt; zur Arbeit requirierte Landesbewohner sind mit der 
Aufräumung betraut. Vom Feinde sind bis jetzt nur kleine Reiterpatrouillen gesichtet, 
die sofort davonjagen." Die zweite Meldung erreicht uns beim Ueberschreiten der Brücke, 
die eine Radfahrerpatrouille bewacht und sichert. Flüchtlinge sagen aus: In der Stadt 
sind große Vorräte aufgestapelt. Zirka 400 feindliche Reiter sind zu ihrer Bewachung 
zurückgeblieben, alles andre ist in wilder Hast schon um Mitternacht abgezogen. 
Der kurze Befehl des Rittmeisters lautet: „Angriff. Radfahrer gradaus, beiderseits 
der Straße. Eskadron verschiebt sich hinter der Welle beim Straßenwirtshaus gegen 
Norden und greift Direktion Eisenbahnstation in den Kampf ein." Gleich hinter dem 
Wirtshaus steht ein Bildstock, ein Muttergottesbild. Die bärtigen, gebräunten Husaren 
nehmen die Kappen ab und bekreuzen sich. 
Kaum ist die Eskadron abgebogen und hinter der Welle verschwunden, rattern auch 
schon an der Straße die Maschinengewehre. Der Feind hält den Eisrnbahneinschnitt 
am Südosteingang der Stadt besetzt. Die Radfahrer greifen schneidig an. Ein Zug hat 
sich in einer Mulde rasch nach Osten verschoben und geht nun von Süden her im Tal
	        
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