Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

142 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
D er Tromp eter 
Ein verwundeter Leutnant, der in einem Lazarett in Budapest lag, erzählte nach dem 
„Artist" folgendes: Wir befanden uns im Vormarsch am Pruth. Mein Regiment be 
stand nur aus Ungarn, die marschierten, als wären fle Teilnehmer an einem Wettmarsch. 
Wir eilten stürmisch vorwärts. Vor mir rannte der Trompeter, rings um unsere Ohren 
flogen die Kugeln wie tanzende Mücken im Sonnenschein. Plötzlich verstummte der Trom 
peter. Ich warf einen Blick nach ihm und sah, wie er mit aufgeblasenen Backen versuchte, 
aus der Trompete Töne hervorzulocken. Dann sehte er das Instrument vom Munde ab, 
sah hinein, schüttelte es und versuchte wieder mit aller Anstrengung das Sturmsignal zu 
blasen, aber vergebens. Darauf sagte er mir: „Herr Leutnant, meine Trompete gibt 
keinen Laut mehr von sich." Wir stürmten vorwärts, der Trompeter schlug ärgerlich die 
Trompete an sein Knie und wandte sich fast weinend nochmals zu mir: „Herr Leutnant, 
die Trompete will absolut keinen Laut mehr von sich geben!" Wieder setzte er sie an den 
Mund, aber plötzlich wurden seine Augen starr, sein Gesicht bleich, und an seiner Uniform 
sah ich einen großen Blutfleck. „Deine Lunge ist durchschossen, mein Sohn," wollte ich 
ihm noch zurufen, aber im selben Augenblick fiel er rückwärts zur Erde. Er starb, und 
wird niemals mehr erfahren, warum seine Trompete so plötzlich verstummte. 
Heldentod eines Sanitätshundsührers. 
Der Berliner Radierer und Kupferstecher Ludwig Schäfer ging im Oktober 1914 als 
freiwilliger Sanitätshundführer ins Feld. Er wurde bald zum Gefreiten befördert, hat 
aber am 6. März 1915 in den Karpathen den Heldentod gesunden. In einem kurz 
darauf bei der Schwester des Gefallenen eingetroffenen Brief eines befreundeten Arztes 
heißt es u. a.: „Ihr Bruder hat sich in rührender Fürsorge für unsere verwundeten 
und gefallenen Kameraden vor keiner Arbeit gescheut, und was er tat, stets mit Geschick 
und Umsicht verrichtet. An seiner „Liesel" hing der Verstorbene mit großer Liebe, die 
von dem braven Tiere in gleichem Maße erwidert wurde, und mit aufrichtiger Be 
wunderung haben wir das innige Zusammenleben und Verstehen von beiden be 
obachtet. Von dem großen Erfolg Ihres Bruders und seines treuen Begleiters bei 
der Absuche des Schlachtfeldes nach der Erstürmung einer Höhe am Lysapaß wissen 
Sie bereits. Mir werden jene schweren Tage unvergeßlich bleiben, und mit an erster 
Stelle werde ich dabei immer der wahrhaft aufopfernden Tätigkeit Ihres Bruders ge 
denken; denn es war eine Glanzleistung, die nicht so leicht überboten werden dürfte. 
Nach einem äußerst anstrengenden Aufstieg und mehr als 24flündigem Aufenthalt in 
Eis und Schnee bei über 20 Grad Kälte war Ihr Bruder noch imstande, eine ganze 
Nacht hindurch das schwierige Gelände abzusuchen und elf Verwundete, die, zum Tei 
leicht verletzt, abseits zusammengebrochen und bei der eisigen Kälte unbedingt dem weißen 
Tod der Berge verfallen gewesen wären, zu retten und der ärztlichen Behandlung zu 
zuführen. Danach war es rührend, wie bescheiden er alle anerkennenden Worte über 
diesen glänzenden Erfolg mit den Worten ablehnte, daß er nur seine Pflicht getan hätte. 
Das Unglück geschah dann eines Nachts ganz unerwartet gegen 12 Uhr. Eine schwere 
Granate schlug in das Gebäude, das Ihr Bruder mit mehreren Kameraden bewohnte 
und das gänzlich zertrümmert wurde. Ich eilte aus das Krachen sofort aus dem Nachbar 
hause hinzu und fand den Braven in bewußtlosem Zustande unter den Trümmern 
liegend. Schon nach etwa einer halben Stunde trat der Tod durch innere Verblutung 
ein, ohne daß der Verletzte das Bewußtsein wieder erlangte. Tags darauf haben wir 
ihn neben Kameraden des Bataillons gebettet, deren Gräber seine geschickte Hand mit 
hübschen Kreuzen und zierlichen Inschriften darauf geschmückt hatte. Das Grab befindet 
sich in Orawa, etwa 400 Meter nordwestlich der Kirche, und ist mit einem schlichten
	        
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