Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Zwischen der oberen Weichsel u. der Reichsgrenze bis zur Mai-Offensive der Verbündeten 13S 
gemachten Unbeteiligten gleich einer Viehherde als Schild vor sich herzutreiben, um sich 
ungefährdet unsern Stellungen zu nähern. Die Verwirklichung dieses Vorhabens konnte 
beim tiefsten Mitgefühl für die armen Opfer der barbarischen Willkür aus militärischen 
Gründen nicht geduldet werden. Der Raum vor den befestigten Stellungen muß näm- 
lich, da ein Waffenstillstand für das Abschieben der verschiedenen Judenfamilien vom 
Feind weder angeboten noch unsererseits wegen des Heranziehens feindlicher Ver 
stärkungen annehmbar war, bei jeder Annäherung von Feindesseite unbedingt unter Feuer 
genommen werden. Dem russischen Kommandanten wurde daher durch einen Parlamentär 
nachfolgende schriftliche Antwort übersandt: „Das Ueberschreiten der eigenen Linien von 
Feindesseite kann unter keinen Umständen und für niemand gestattet werden, und es wird 
daher der Raum vor der eigenen Front unter Feuer gehalten werden. Ich ersuche, die 
Judensamilien von Kamionna und Tysmieniczany hievon in Kenntnis zu setzen. Ich füge 
bei, daß die ungeheure Verantwortung für die beabsichtigte unmenschliche Handlung, 
Tausende von unschuldigen Landbewohnern gegen unsere Stellungen zu treiben, aus 
schließlich dem russischen Kommandanten zufällt, der diesen barbarischen, jedem Kriegs 
gebrauch hohnsprechenden Befehl erteilt, dies umsomehr, als keine Gewähr dafür besteht, 
daß diese Unschuldigen nicht bloß als Schild für die Annäherung der russischen Truppen 
dienen. Es wird gesorgt, daß dieses Verhalten jvor aller Welt gebrandmarkt werde." 
Nach dem vorläufigen Abschluß der Operationen in der Bukowina und in Südostgalizien 
hat der Armeeoberkommandant Feldmarschall Erzherzog Friedrich am 3. April 1915 
an den General der Kavallerie Frhrn. Pflanzer-Baltin, der bereits kurz nach Weihnachten 
den Leopoldsorden mit der Kriegsdekoration erhalten hatte, folgendes Telegramm ge 
richtet: „Mit aufrichtiger Freude teile ich Ew. Exzellenz mit, daß Se. Apostol. Majestät 
Ihnen in huldvollster Anerkennung Ihrer hervorragenden Verdienste bei der Führung 
Ihrer Armeegruppe und Wiedergewinnung der Bukowina das Großkreuz des Leopolds 
ordens mit der Kriegsdekoration verliehen hat. Ich beglückwünsche Sie wärmstens zu 
dieser Allerhöchsten Auszeichnung und bin überzeugt, daß Ihre tapfere Armeegruppe in 
der abermaligen Dekorierung ihres verdienten Führers einen mächtigen Ansporn zu neuen 
Taten unvergänglichen Ruhmes finden wird." 
* * * 
Die Russen hatten, wie schon früher geschildert (vgl. IV, S. 115), in der Bukowina 
furchtbar gehaust, so daß selbst der Bukarester „Universul", die größte und gewiß nicht 
als russenseindlich bekannte Zeitung Rumäniens, auf Grund der von der österreichisch 
ungarischen Regierung veranlaßten Untersuchung zugeben mußte, daß das, was die Russen 
während der vier Wochen ihrer Herrschaft in der Bukowina verübt haben, unbeschreiblich 
fei. Sie zerstörten bei den Gerichten die Grundbücher, bestahlen die orthodoxen Religions 
vermögen und verwandelten die Güter und Schlösser hervorragender Rumänen in Ruinen. 
Furchtbare Einzelheiten wurden festgestellt. Ein Kaufmann in Sadagora ist solange ge 
martert worden, bis er irrsinnig wurde. Eine 75 Jahre alte Witwe aus Stulpicani wurde 
von den russischen Soldaten nackt ausgezogen und geschlagen, damit sie ihnen Geld gebe. 
Das Museum in dem Gymnasium von Gurahumora wurde verwüstet. Die russischen 
Soldaten, die einige in Spiritus aufbewahrte Schlangen sahen, nahmen die Schlangen 
heraus und tranken den Spiritus. Das Haus des berühmten Wunderrabbi in Sadagora 
und seine kostbare Inneneinrichtung wurden vollständig verwüstet. In das alte Bethaus, 
wo sonst die berühmte, aus dem 14. Jahrhundert stammende, edelsteinbesetzte Decke des 
Thoraschreines von Tausenden Gläubigen bewundert wird, stellten die Russen ihre Pferde ein, 
bis der orthodoxe Ortspriester Vorstellungen dagegen erhob. In der Stadt Sadagora, die 
fle sieben Monate hindurch besetzt hielten, plünderten sie alle Geschäfte, zündeten die Häuser 
an, erpreßten Geld und Schmuckgegenstände und scheuten nicht vor Schändungen zurück.
	        
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