Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

102 Die russischen Kriegsschauplätze bis zurWiedereroberung von Przemysl 
Aufgabe besteht darin, den vor uns liegenden Rücken zu nehmen, dann nach rechts ein 
zuschwenken und die Höhe 913 anzugreifen. Die Sonne ist verschwunden. Dämmerndes 
Dunkel. Es ist bitter kalt — 17 Grad unter Null. Aber in dem Moment, da wir zu 
stürmen beginnen, ist jedes Kältegefühl verschwunden. Wir gehen anfangs langsam vor. 
Der Schnee ist sehr tief. Ab und zu versinken wir bis zur Brust. Aber wir sind mit 
ungeheurer Energie geladen und arbeiten uns rasch durch die Schneetiefen durch. Nun 
eröffnen die Russen ein fürchterliches Feuer auf uns. Ihre Maschinengewehre rattern. 
Wir haben anfangs keine Verluste, weil wir uns noch in einem toten Raum befinden; 
aber in dem Moment, da wir ihn verlassen, spüren wir um uns und über uns das 
Sausen und Pfeifen der Geschosse. Die seltsame Musik weckt jedoch keine Angst; ein 
unbeschreibliches Gefühl, das ich als Sturmwut bezeichnen möchte, überkommt jeden. 
Man denkt an keine Gefahr und hat nur einen Gedanken, um jeden Preis das Ziel zu 
erreichen. Darum gab es mitten im Kugelregen keinen Moment Stockung, bis wir vor 
den Drahthindernissen standen. Ein ruhiger Beobachter möchte glauben, daß es einer 
geraumen Zeit bedarf, bis solche Hindernisse beseitigt sind. Aber gleichwohl geschah 
dies förmlich im Fluge. Die Pflöcke brachen jählings zusammen, die Scheren klapperten 
und schon stürmten wir über die Drahthindernisse hinweg. Nun hatten wir die russischen 
Deckungen unmittelbar vor uns. Jetzt brachen instinktiv aus den Kehlen die Hurra 
rufe. Es war ein brausender Ruf des Triumphes, der die Explosionen der Hand 
granaten, die uns die Russen noch im letzten Moment entgegenschleuderten, übertönte. 
Einige Momente Sturmlaufes, und wir sind mit hochgehobenen Kolben auf den Deckungen. 
Die Russen knickten förmlich zusammen, die Gewehre entsanken ihnen. Sämtliche russischen 
Truppen samt ihren Offizieren wurden hier gefangen. Kein einziger Mann entrann. 
Unsere Kompagnie allein machte über 250 Gefangene. Die ganze Nacht wurde ein 
Gefangenentransport nach dem anderen an die Brigade abgeschickt." 
Auch der Kriegspressebericht über die Erstürmung von Sekowa, eines Ortes, der 
etwa fünf Kilometer östlich von Gorlice am Rande eines tief eingeschnittenen Tales liegt, 
durch das 1. Tiroler Kaiserjägerregiment soll nach der „Wiener Neuen Freien Presse" 
hier wiedergegeben werden. Der Bericht lautet: „Klar wie nur in schweren Frostnächten 
— es waren etwa 10 Grad unter Null — steht der Himmel über den verschneiten Wald 
bergen, als wir am 8. März 1915 um 1 Uhr 30 Minuten nachts nach kurzem, tiefem 
Schlaf aus Siary aufbrachen, einem kleinen, in engem bergumschlossenem Tale liegenden 
Neste, etwa drei Kilometer südlich von Sekowa. Die Rucksäcke bleiben zurück, Munition 
und Reserveverpflegung gehen im Brotsack mit, um jeden möglichst zu entlasten. Geräusch 
los fast schiebt sich das Regiment auf der Straße nach Sekowa nordwärts, fast spukhaft 
anzusehen in den weißen Schneemänteln, doppelt grotesk einige Gestalten, die mit Unter 
hose und Hemd den verlorenen Schneemantel ersetzt haben. Nach etwa einer halben 
Stunde stockenden Marsches biegt unser Bataillon, das erste unter Hauptmann Gamber, 
rechts ab; es sollte von den Anhöhen rechts (östlich) des Siarytales über einen steilen 
Abhang hinab in das Sekowatal eindringen und die nördlich gelegene neue Kirche 
mit dem östlichen Teile der Ortschaft in Besitz nehmen, das 2. Bataillon (Hauptmann 
v. Pereira) im Anschlüsse links sich des westlichen Teiles von Sekowa bemächtigen, 
während das 3. Bataillon (Hauptmann Altenburger) vorerst die Regimentsreserve zu 
bilden, nach gelungenem Ueberfall aber die gewonnenen Stellungen zu verstärken hatte. 
Ueber den Siarybach kriechen wir dann langsam tastend den verschneiten Hang hinauf und 
erreichen den Rand des Talabhangs gegenüber Sekowa — unsere Ausgangsstellung, wo 
12er Feldjäger sich nachtsüber zu unserer Unterstützung eingegraben hatten. Rasch findet 
alles die zugewiesenen Räume: am linken Flügel die 1. Kompagnie, anschließend die 
4. und 3., unmittelbar hinter diesen beiden die 2. als Bataillonsreserve. Im Siarytal
	        
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