Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Der Handelskrieg in der Nordsee 
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Boot noch über den Wellen schwebte, verwickelten sich die Taue am Bug, und das Heck 
ging so tief hinunter, daß das Boot fast senkrecht stand. Ein junger Mann, ich glaube 
einer der Heizer, erfaßte sofort eine Axt und hieb die Taue durch. Das Boot fiel flach 
ins Wasser, das uns umspritzte. Es war ein Glück, daß keiner von uns hinausflog. Zwei 
Männer, deren einer am Abend vorher in einem Konzert gesungen hatte, trieben in 
unserer Nähe in den Wellen und suchten das Boot zu erreichen. Allein ein Mann, der 
sich schon in unserm Boot befand, rief ihm zu: „Schwimmen Sie weg, oder wir alle 
gehen in dem Strudel unter." Wir ergriffen die Riemen und stießen etwa 15 Meter ab. 
Das Boot war so überfüllt und lag so tief, daß das Wasser über die Wände herein 
flutete. Wir suchten es auszuschöpfen, wozu einige von uns ihre Hüte benutzten, kamen 
jedoch damit nicht recht voran. 
Da das Boot immer tiefer ging, warf ich ein auf dem Kiel liegendes Füßchen ins 
Wasser, sprang ihm nach und hielt mich daran fest. Ein Schaffner, namens Fryman, 
der sich an einem Lehnstuhl festhielt, schwamm herbei und klammerte sich ebenfalls an 
das Füßchen fest. AIs ich über die Schulter zurückblickte, bemerkte ich, daß eine Anzahl 
Personen sich aus dem Boot stürzte, das ich eben verlassen hatte. Kurz danach kenterte 
es vollständig. In einiger Entfernung befand sich ein anderes schwer beladenes Boot. 
Daneben schwamm eine Anzahl Gegenstände, die ich als kleine Flöße erkannte. Ich 
nehme an, daß etwa zehn oder zwölf Boote oder Flöße umhertrieben. Der Schaffner 
und ich trieben wenigstens eine Stunde umher, an das Faß geklammert. Dann ver 
mochten wir ein aus Segeltuch mit Eisengestellen hergerichtetes Floß zu erreichen, auf 
dem sich etwa 25 Personen befanden, darunter zwei Frauen. Man half uns hinauf. Wir 
nahmen einen Leuchtturm zum Ziel und ruderten verzweifelt darauf los, wobei wir uns 
an den Riemen abwechselten. Das mag eine Stunde gedauert haben. Dann faßten wir 
Mut, als ein Auftlärungsschiff in Sicht kam. Es gab uns ein Zeichen, und wir stellten 
das Rudern ein. Es dampfte herbei, nahm uns auf und fuhr alsdann zu der Stätte des 
Unglücks, wo wir andere Schiffbrüchige retteten, deren nicht wenige verletzt waren. Ein 
Knabe von 10 oder 11 Jahren hatte einen Knöchelbruch. Ich stellte eine Art Fesselung 
und Verband her, und nach einer Weile erfreute er uns durch die scherzhafte Frage: Ist 
etwa ein Witzblatt an Bord? 
Die „Lusitania" sank etwa 18 Minuten, nachdem sie getroffen war, sicherlich nach 
nicht mehr als 20 Minuten. Während sie unterging, sah ich eine Anzahl Leute von 
höchsten Punkten des Deckes in die See springen; darunter, glaube ich, auch eine Frau. 
Ich hörte am Ende kein Kreischen mehr, sondern nur einen langgezogenen, traurigen, 
verzweifelten und ergreifenden Schrei." 
Dagegen enthält die „New Jork Times" scharfe Anklagen der geretteten Pasiagiere 
der „Lusitania" gegen die Cunardlinie und die Offiziere und Mannschaften der 
„Lusitania". Dr. Howard L. Fisher aus New Jork, der Bruder des früheren Sekretärs 
des Innern, kritisiert besonders die Offiziere des Dampfers: „Ich kann nicht verstehen, 
wie sich die Cunardlinie oder die englische Admiralität bei dieser Tragödie frei von Vor 
wurf fühlen können. Ohne ein begleitendes Torpedoboot mußte dieser Riesendampfer 
seinen Weg durch die gefährliche Zone machen. Wir waren von der deutschen Regierung 
gerade genügend gewarnt und ich persönlich möchte nicht, daß mein Land irgendwelche 
offiziellen Schritte unternimmt. Es ist unwahr, wenn behauptet wird, daß die Pasiagiere 
wegen einer etwaigen Gefahr unbesorgt waren. Ich selbst benutzte den Dampfer, 
um Zeit zu sparen und weil ich glaubte, daß im Falle der Begegnung mit einer treiben 
den Mine dieses -Riesenschiff größere Aussichten zur Rettung bot als ein kleines. Wer alle 
Pasiagiere an Bord glaubten, daß wir im Falle einer Torpedierung Zeit genug haben 
würden, um uns zu retten. Was die Beamten der Cunardlinie ausgesagt haben, ist mir
	        
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