Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

192 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
Besonders auffallend dabei ist die unverhältnismäßig hohe Verlustzahl der Offiziere. 
Allein bei Neuve-Chapelle und Saint-Eloi verloren die Engländer fast 750 Offiziere (vgl. 
S. 44), von denen ungefähr ein Drittel gefallen ist, während die anderen schwer verwundet 
sind. „Dieser ungeheure Offiziersverlust, der schon an sich ganz ungewöhnlich zu nennen 
ist und jedes Heer schwächen muß, erhält," wie die „Frankfurter Zeitung" schreibt, „ge 
rade bei dem englischen Heere noch dadurch vermehrte Wichtigkeit, weil hier an und für 
sich schon von Anfang an großer Offiziersmangel herrschte. Ein Heer ohne Führer ist 
aber eine hilflose Masse. Es kommt fernerhin dazu, daß auch die früheren Kämpfe den 
Engländern sehr schwere Verluste an Offizieren gebracht hatten. Bis zum 1. Januar 
1915 wiesen die englischen Verlustlisten 4000 Offiziere auf, die tot, verwundet, vermißt 
oder kriegsgesangen waren. Von ihnen waren acht Generäle, 30 Oberste, 110 Oberst 
leutnants und Majore und 350 Hauptleute und Rittmeister neben einer großen Anzahl 
von Leutnants gefallen, insgesamt 1150 Mann. Verwundet wurden mehr als 2000 
Offiziere, unter ihnen sieben Generäle, 68 Oberste, 185 Oberstleutnants und Majore, 
621 Hauptleute und 1364 Leutnants. Mehr als 600 Offiziere find vermißt und eine 
bedeutende Anzahl ist kriegsgefangen. 
Diese Verluste erhalten noch eine besondere Bedeutung, wenn man ihnen die Anzahl 
der aktiven Offiziere des englischen Heeres bei Ausbruch des Krieges gegenüberstellt. Es 
gab außer den Offizieren des Territorialheeres in England bei Kriegsbeginn 5600 Offiziere. 
Die Gesamtzahl der Offiziersverluste beträgt bis Mitte Mai rund 5000. Es würden dem 
gemäß nur noch 600 Offiziere von den ersten Truppen übrig geblieben sein. Nun ist 
allerdings anzunehmen, daß die Offiziere des Territorialheeres für den Feldzug ver 
wendet worden find; aber auch ihre Zahl ist gegenüber dem großen Bedarf verschwin 
dend klein. Außerdem hat die englische Heeresverwaltung die großen Lücken durch Be 
förderung von Unteroffizieren zu Offizieren auszufüllen versucht. Schon nach sechs 
wöchentlicher Ausbildung werden Leute zu Unteroffizieren befördert, und diese Unter 
offiziere werden dann weiter zu Leutnants gemacht. Es ist jedoch klar, daß der Wert 
eines derartig improvisierten Offizierkorps den Anforderungen eines schweren Krieges 
unmöglich entsprechen kann." 
Ueber die Verluste der australischen Division läßt sich folgende Berechnung auf 
stellen: Die Kolonialausgabe des „Standard" vom Mai 1915 enthält die Angabe, daß 
sich in Kairo 6000, in Malta 2100 und in England 900 verwundete Soldaten der 
australischen Division befinden. Die Division umfaßt 16 Bataillone zu je 960 Mann, 
also etwa 15 000 Mann. Da die Toten nach dem üblichen Verhältnis wohl 3000 Mann 
betragen, ergäbe sich ein Gesamtverlust von 12000 Mann. 
Nach einer Meldung aus Toronto in der „Times" standen Ende April 1915 von den 
kanadischen Offizieren, die im Herbst 1914 Ottawa verließen, nur noch drei in der 
Front. Vom leichten Infanterieregiment „Princeß Patricia", dem besten Regiment 
Kanadas dürfte damals kaum noch ein Viertel übrig gewesen sein. 
Die belgischen Verluste betrugen nach der bereits oben erwähnten Zusammen 
stellung des Genfer Roten Kreuzes bis Ende Februar 1915 62000 Verwundete, 
24500 dauernd Untaugliche, 49500 Gefangene, 71500 Tote. Das ergibt einen Gesamt 
verlust von 207500 bei einer Totalstärke der Armee, die 200000 Kämpfer niemals über 
stieg. Schon Ende Januar 1915 konnte, entgegen andern Mitteilungen, die von 100 000 und 
selbst 200000 neu im Felde stehenden Belgiern sprechen, nach der „Magdeburger Zei 
tung" festgestellt werden, daß die ganze belgische Armee nur noch die Kriegsstärke eines 
Armeekorps besitzt, worin die vielen Erschöpften, die zur Erholung nach dem Süden 
Frankreichs geschickt werden mußten, einbegriffen sind.
	        
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