Der flandrische Kriegsschauplatz
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schrecklicher Vorstellung werden würde, um ihm einen Schrecken einzujagen, und daß
er zum Schluß des Schauspiels wieder frei sein würde. Wenn irgend jemand ein
Verbrechen begangen hätte, wäre ja die ganze Hinrichtung nicht so traurig gewesen,
oder wenn der Tod eine Strafe bedeutet hätte. Aber so war das Entsetzliche,
daß dieser Soldat als Exempel und als Warnung für die anderen sterben mußte.
Am nächsten Morgen bekamen sechs seiner Kameraden den Befehl, ihre Gewehre
einem höheren Offizier zu übergeben. Sie erhielten die Gewehre geladen zurück;
wessen Gewehr scharf und wessen blind geladen, konnten sie nicht wissen. Der Verur
teilte wurde herausgeführt. Im selben Augenblick sprang sein Führer beiseite, die sechs
Gewehre knallten, und der Mann fiel tot um. Dann wurden die Gewehre dem Offizier
wieder eingehändigt, und die Soldaten erhielten diese gereinigt wieder zurück, so daß also
keiner von ihnen wußte, wessen Kugel den Kameraden getötet hatte.
Das einzig Gute an dieser ganzen traurigen Sache war, daß man den Soldaten als
gefallen im Kampfe in den Listen vermerkte. So bleibt er in der Erinnerung seiner
Familie ein Held; auch die Offiziere und Mannschaften des Regiments haben geschworen,
seine Geschichte und seinen Namen nicht zu nennen. Seine Kompagnie hat den Makel,
der aus ihr ruhte, ausgelöscht, sie hat wie der Teufel gefochten und mehr Mannschaften
verloren, als irgend eine andere Kompagnie im Felde. Hinrichtungen wie diese kommen
ja in jedem Kriege öfters vor, aber ich kann nun einmal das Gesicht dieses jungen
Soldaten nicht mehr vergessen."
Belgische Nonnen und deutsche Soldaten
Ein deutscher Offiziers-Stellvertreter schrieb der „Kölnischen Zeitung": Gegen Anfang
des Jahres 1915 kam ich mit meinem Zuge nach Willebroeck, einem Dorfe 1,5 Kilometer
östlich des von uns zuletzt eroberten Forts von Breendonck und erhielt vom Bürgermeister
des Ortes das dortige Frauenkloster als Quartier angewiesen. Mit diesem war ein
Mädchenpensionat verbunden, doch war der größte Teil der Mädchen nach Holland ge
flüchtet. Wir wurden von den Schwestern bereitwillig ausgenommen und erhielten einen
Schulsaal zum Essen und einen großen Schlafsaal, der durch Bretterwände in einzelne
Kabinen geteilt war, als Quartier angewiesen. Die Schwestern selbst schleppten uns die
nötigen Matratzen heran, und wir waren bald wohnlich eingerichtet. Da es an einem
Raum mit Kocheinrichtung fehlte, kochten wir aus offenem Feuer im Hofe. Als andauernder
Regen eintrat, konnten unsere Mannschaften das Feuer kaum in Gang halten, und nun
kamen die Schwestern und boten uns einen großen Kessel mit Feuerung an, den wir in
einem Zimmer des Erdgeschosses aufstellen sollten, damit unsere armen Leute nicht mehr
den ganzen Tag im Regen zu stehen brauchten. Ueberhaupt sorgten die Schwestern in
jeder Beziehung für unsere Leute, die sich dadurch erkenntlich zeigten, daß sie die Reinigung
des Hofes und der Wege und andere kleine Dienste wie Holzspalten usw. für das Kloster
übernahmen. Als wir nach einigen Wochen abrückten, standen die Schwestern und
Pensionärinnen an allen Türen und Fenstern und riefen uns: Aus Wiedersehen! zu.
Wir rückten dann etwa zehn Kilometer weiter nördlich nach Reeth und wurden dort
wieder in einem Nonnenkloster untergebracht, und zwar in zwei Schulsälen. Das einzige
Bedauern, was die Schwestern äußerten, war, daß wir die Schulbänke heraustragen
müßten, die sie später, wenn wir abrückten, nicht wieder selbst hereinschaffen könnten,
weil sie zu schwer seien. Ich versprach ihnen, daß wir dies vor dem Abrücken selbst
besorgen würden, und wir haben das Versprechen auch gehalten. Auch diese Schwestern
haben für unsere Mannschaften rührend gesorgt, und als wir abrückten, kam die Oberin
selbst und brachte uns einen ganzen Korb voll Aepfel zur Verteilung unter die Leute.
Ich selbst war beim Pastor des Ortes, einem lieben, vornehmen alten Herrn von 74 Jahren,