Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
159 
von Stickgasen gemacht, sondern sie hat auch die Verantwortung für den Tod der „Lust- 
tania"-Passagiere mit zu tragen, von denen viele durch die bei der Torpedierung srei- 
gewordenen Dämpfe des Zinntetrachlorids umgekommen sein sollen. 
Ganz neu ist übrigens die Verwendung von Stickstoffgasen im Kriege nicht. Schon 
die Buren haben sich bitter über die scheußlichen Gase der englischen Lydditgranaten be 
schwert und sie als völkerrechtswidrig bezeichnet. Das waren sie ja wohl nun freilich 
nicht. Verbietet doch die Haager Erklärung von 1899 nur die Verwendung von Ge 
schossen, deren einziger Zweck es ist, erstickende und giftige Gase zu verbreiten. Da die 
Lydditgranaten außerdem auch eine Sprengwirkung ausübten, muß man sie mithin als 
erlaubtes Kriegsmaterial ansehe». Aber die Giftigkeit ihrer Gase wird durch die sicher 
festgestellte Tatsache bewiesen, daß Geier, die von den durch Lydditbomben getöteten 
Pferden fraßen, daran starben. Die Engländer können sich also um so weniger über 
unsere Anwendung von betäubenden Gasen beklagen, als sie die Haager Erklärung über 
die Verwendung solcher Gase erst unterschrieben haben, nachdem sie selber hinreichenden 
Vorteil aus der Anwendung dieses Kriegsmittels gezogen hatten. 
In der Plenarsitzung der Haager Friedenskonferenz vom 21. Juli 1899 wurde jene 
Erklärung gegen die Stimmen Englands und der Vereinigten Staaten angenommen. 
Wenn unsere Feinde jetzt versuchen, auch in Amerika Stimmung gegen uns wegen der 
Verwendung von betäubenden Gasen zu machen, so ist nicht nur auf die amerikanischen 
Lieferungen giftiger, zur Erzeugung solcher Gase bestimmter Chemikalien an unsere 
Gegner hinzuweisen, sondern vor allem auch auf den entschiedenen Widerspruch der 
amerikanischen Delegierten von 1899 gegen das Verbot dieses Kampfmittels. In der 
Marine-Unterkommission, in der die Erklärung über die Stickgase versaßt wurde, wandte 
sich der bekannte amerikanische Kapitän zur See Mahan gegen sie. Geschosse mit Stick 
gasen könnten, so sagte er, menschlicher wirken als andere, die den Körper mit Metall 
stücken zerfetzen. Eine nutzlose Grausamkeit liege bei jenen nicht vor, und man könne 
nicht wohl von einem verbotenen Kriegsmittel reden. Von demselben Standpunkt ging 
dann auch die folgende Erklärung aus, die in der Hauptkommission der Bevollmäch 
tigte der Vereinigten Staaten abgab, um sein ablehnendes Votum zu begründen: 
„1. Den Einwand, daß eine Kriegsmaschine barbarisch sei, hat man immer gegen die 
neuen Waffen erhoben, die nichtsdestoweniger schließlich angenommen worden sind. Im 
Mittelalter sind es die Feuerwaffen gewesen, denen man den Vorwurf der Grausamkeit 
gemacht hat. Später sind die Granaten und vor kurzem die Torpedos an die Reihe 
gekommen. Es erscheint mir nicht bewiesen zu sein, daß Geschosse mit erstickenden 
Gasen unmenschliche oder unnütz grausame Kriegsmaschinen sind und kein entscheidendes 
Ergebnis herbeiführen werden. 
2. Ich bin der Vertreter eines Volkes, das von dem lebhaften Wunsche beseelt ist, 
den Krieg menschlicher zu gestalten, das sich aber gezwungen sehen kann, Krieg zu führen. 
Deshalb handelt es sich darum, sich nicht durch hastig gefaßte Beschlüsse der Mittel zu 
berauben, deren man sich später mit Erfolg wird bedienen könnend 
Man ersieht hieraus, daß die Meinungen über die Haager Erklärung von Ansang 
an geteilt waren, und wird bei ruhiger Ueberlegung dem Standpunkt der Amerikaner 
eine gewisse Berechtigung nicht absprechen mögen. Kapitän Mahan ging von der Fest 
stellung aus, daß ja in engen Schiffsräumen die Gase aller Explosivgeschosse eine er 
stickende Wirkung ausüben. In der Tat ist das Kohlenoxyd, das sich bei der Explosion 
der früher allgemein üblichen Pulverladung bildete, ein außerordentlich giftiges Gas, 
das in geschloffenen Räumen betäubend, ja tödlich wirkt. Es handelt sich also um die 
Frage, ob man diese Erscheinung des See- wie des Festungskrieges auch in den Feld 
krieg verpflanzen darf. Das Gefühl wird sich dagegen sträuben, wenn eine Massen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.