Der flandrische Kriegsschauplatz
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Vorstoß durch Turkos und Zuaven auf dem östlichen Ufer längs des Kanals den Frontal
angriff zu erleichtern. In den ersten Maitagen nahm die lebhafte Tätigkeit der fran
zösischen Infanterie gegen unsere Kanalstellungen ab; der Gegner beschränkte sich hier
in der Hauptsache auf Artilleriekämpfe, denn die Entwicklung der Lage in dem Sack
östlich Ipern zog seine ganze Aufmerksamkeit dorthin.
Die Schilderung der dortigen Kämpfe bis zum 2. Mai hat gezeigt, daß in ihnen im
allgemeinen dem Gegner die Rolle des Angreifers überlassen wurde, und die vergeblichen,
in ihrer Gesamtheit blutig abgewiesenen Angriffe mußten ihn schwächen und seinen
inneren Halt erschüttern, wodurch die Fortsetzung des deutschen Angriffs günstig vor
bereitet wurde. Der Entschluß hierzu wurde am 2. Mai gefaßt. Am Abend dieses
Tages begann der Angriff auf der ganzen Nord- und Nordostfront; im Westen kam er
in der Mitte, südlich Saint-Julien, in dem Abschnitt zwischen dem westlich des Dorfes
gelegenen Wäldchen und der Straße Langemarck—Zonnebeke, vorwärts. Noch vor Ein
bruch der Nacht war hier Gelände in einer Tiefe von bis 1 Kilometer gewonnen, und
die Straße Mosselmart—Fortuin erreicht; der Häuserkampf in dem letztgenannten Orte
endete mit dem deutschen Sieg. Zu beiden Seiten dieses Angriffsstreifens entwickelten
sich ebenfalls hartnäckige Kämpfe, in denen unsere Truppen nur sehr langsam Boden
gewannen. Trotz heftiger feindlicher Gegenangriffe schob sich aber unsere Linie am
3. Mai weiter vor. In kühnem Sturm entrissen württembergische und sächsische Ba
taillone den Engländern das als Stützpunkt stark ausgebaute Wäldchen nördlich s' Gra-
venstafel, den Eckpfeiler im Schnittpunkt der feindlichen Nord- und Ostfront. Die die
Gräben füllenden englischen Leichen bezeugten den tapferen Widerstand des Gegners.
Der starke Druck des von der gesamten Artillerie gestützten deutschen Angriffs ver
fehlte nicht seine Wirkung auf die Entschlüsse des Gegners. Wieder war der Sack, in
dem er sich befand, enger geworden und mit dem weiteren Fortschreiten des deutschen
Angriffs wuchs die Gefahr, daß die am weitesten nach Osten vorgeschobenen Teile nicht
mehr rechtzeitig zurückgenommen werden konnten. Schon am Abend des 2. Mai hatten
Flieger den Rückmarsch kleinerer Abteilungen in westlicher Richtung und die Fertig
stellung des feindlichen Brückenkopfes dicht östlich Ipern gemeldet. Im Rücken der
feindlichen Front war ausfallend wenig Bewegung festzustellen.
In der Nacht vom 8. zum 4. Mai baute der Gegner ab. Seine ganze Nord-, Ost-
und Südfront zwischen Fortuin, Broodseinde, Klein-Zillebeke gab er in einer Breite von
15 Kilometern auf und überließ unseren überall sofort nachdrängenden Truppen Gelände
in einer Tiefe von Vs bis 3 Kilometern. Es waren seit langem nicht mehr gesehene Bilder
des Bewegungskrieges, als unsere Schützenlinien, von geschlossenen Abteilungen gefolgt,
die flandrische Landschaft belebten, lange Artillerie- und Munitionskolonnen im Trabe
nachgezogen wurden und Reserven in grünen Wiesen und verlassenen englischen Stel
lungen lagen. Ueberall in dem vernichteten Landstrich waren die gewaltigen Wirkungen
unserer Kampfmittel zu sehen. Im westlichen und mittleren Abschnitt ihrer Nordfront,
wie in den westlichsten Teilen ihrer Südfront behaupteten die Verbündeten ihre Stellungen
mit zähem Widerstand; um den Rückzug der übrigen Teile zu decken. Diese setzten sich
erneut in der ungefähren Linie 700 Meter südwestlich Fortuin—Frezenberg—Eksternest
— Ostrand des Waldes östlich Zillebeke — fest, und hiermit beginnt ein neuer Abschnitt
der Kämpfe.
Das vom Gegner behauptete Gebiet östlich des Kanals, das bis zum 22. April eine
Frontbreite von 25 Kilometern und eine größte Tiefe von neun Kilometern hatte, ist
auf 13 Kilometer Breite und fünf Kilometer Tiefe zusammengeschrumpft. Der Sack ist
so bedeutend enger geworden und der konzentrischen Wirkung der deutschen Artillerie
noch mehr als bisher ausgesetzt.