Die Kämpfe in Lothringen, in den Vogesen und im Sundgau 133
Noch während die neuen Kräfte ankommen, setzt das Donnern der Geschütze wieder
ein. In den Schluchten und Tälern des Gebirges wettern diese ehernen Stimmen furcht
bar, beängstigend vielfältig. Langsam mit dem Auftakt einer schweren Batterie begann
es und steigert sich vom dumpfen, rollenden Grollen bis zum Pochen und Wüten der
kleinen Kaliber, echoend gesteigert. Ohne Ruhe saust nun der Granatenregen durch den
Frühlingstag, vernichtend, todbringend. Es liegt etwas Gewaltiges in dem Wüten und
Wettern der Artilleriekämpfe.
Hoch oben am Himmel schwebt es heran von Westen her, blinkend im Strahlen des
Sonnenlichtes, ein Menschenvogel gaukelt, klein wie eine Kinderhand zum Schauen, in
mitten der kleinen weißen Wölklein, die alsbald um ihn herum erblühen, harmlos und
lieblich anzusehen und dennoch toternst. Kläffend wie gereizte Tiere schleudern nun
auch von den Vogesenhöhen die Maschinengewehre ihren Stahlhagel in den Himmel
hinauf. Wo es aber nur irgendwie anging, suchte die anrückende Mannschaft sofort
bei Sicht des feindlichen Fliegers Deckung auf. Sie verbergen sich vor den Späher
augen, die der Feind am Himmel hat. Und die Abwehrkanonen stampfen und pochen,
zu Dutzenden blühen die weißen Wölklein aus am hellblauen Himmel, und rasselnd und
prasselnd krachen die Explosionen ununterbrochen hernieder. Aber von alledem un
berührt orgeln die schwersten Register, die großkalibrigen Haubitzbatterien, ihr Lied
ohne Unterbrechung weiter in den Tag hinaus. Was kümmert sie in ihren geschickt
verborgenen Stellungen das feindliche Späherauge, das vom Himmel herniederlauert.
Die Pioniere, der Stolz des Heeres, sorgten ja für gute Masken, irgendwo, an einem
Hang bei einem Baum oder Waldrand, so scheinbar in Deckung, dennoch prächtig zu
sehen von hoch oben, drohen auf alten Bauernkarrenrädern oder gar auf Balken nur
verschiedene ausgediente alte Fässer jeden Kalibers in den Tag hinein. Aber auch die
Franzosen geizen nicht mit ihrem Geschoßregen, und so wird der schönste Frühlingstag
zur Hölle.
Der Flieger kann wegen des heftigen Feuers in der Gutsichtzone nicht tiefer gehen,
einmal versucht er einen tollkühnen Gleitflug und saust vornüber zur Erde herab, zum
Fürchten schnell. Aber schon kommen ihm die kleinen, so harmlos anzusehenden Wölk
lein näher und näher, da — nicht weit von ihm blüht ein neues aus, — da reißt sich
das Flugzeug zusammen und nach kurzem Flug schraubt es sich höher und höher und
verschwindet im Westen.
Sofort wird es überall wieder lebendig. Besonders aber schafft die Drahtseilbahn
am Hartmannsweilerkopf Gewaltiges. Diese Drahtseilbahn ist eine großartige Leistung.
Vor Monaten wurde sie erbaut, unter unsäglichen Mühen, in böser Witterung.
Tausende von Landsturmarbeitern und aufgebotenen Landleuten legten Hand dabei an.
In der Gegend um den Hartmannsweilerkops waren es oft bis fünftausend Männer
außer den Heerespionieren, die bei Geniearbeiten Helsen mußten. Und zähe, gegen wer
weiß wieviele französische Angriffe, hatten die Truppen oben am Nord-, Ost- und Süd
rand die Station und Flanken dieser Bahn zu decken. Doch gelang dies auch, und
die Franzosen verrannten ihre Kraft umsonst an diese Stellung in vielen Angriffen.
Nun mußte diese zähe Verteidigung Früchte tragen. Lasten nach Lasten von Munition
und Material schaffte die Bahn in die Höhe. Batterien wurden am Rand der Kuppe
dadurch in Stellung gebracht. Starke Truppenteile schoben sich in die Mannschaften
der Stellungen als Verstärkung für den kommenden Angriff ein. Das war frontal zur
Kuppe so und so war's aus den Flanken; groß war der Sturm angesetzt. Die Pio
niere richteten von Abschnitt zu Abschnitt Gelegenheiten her zur Ausstellung der Minen
werfer; Reserven lagen hinter den Sturm- und Deckungskolonnen oben in Sicherheit,
wartend, bis auch sie zum Kampfe kamen.