Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

132 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
Die zweite Erstürmung des Hartmannsweilerkopfes am 25. April 1915 
Von Hermann Kurz 
Schon die ganze Nacht durch hatte die vorbereitende Arbeit für den kommenden heißen 
Tag gedauert, die größten Truppenverschiebungen waren im Dunkel der Nacht vor sich 
gegangen. Aber noch vom frühen Morgen an rasten die Meldefahrer über die Land 
straßen den Vogesen zu, vom Rheine her, von Ensisheim, von Mülhausen, hin und zurück, 
unermüdlich, sie bedeuteten sozusagen die Weberschifflein dieses Tages im sausenden Web 
stuhl unserer eisernen Zeit. Da und dort, in Orten hinter der Front sauste ein Fahrer 
an, übergab bei irgend einem Kommando, großen und kleinen, die Meldung, und wie 
der Wind ging's wieder zurück. Leben kam in die Dörfer und Städtchen des Ober 
elsaß, Signale schrillten durch die Ruhe und den ersten zagen Frühlingssonnenschein. 
Kolonnen bildeten sich, Truppenabteilungen setzten sich in Bewegung, die Fahrparke 
wurden lichter, das Geschirr der guten tapferen Pferde rasselte, alles Militär im Lande 
lebte und bewegte sich, und ahnend schaute die Bevölkerung aus. Dazwischen wirbelten 
über die Landstraßen lange Staubsäulen auf, oft Kilometer lang, und schwebend, bis 
nur noch ein dünner Schleier verblieb. Vorn an der dahineilenden Spitze der Staub 
wolke aber sauste ein dunkler Punkt, der Kraftwagen eines Kommandos oder von hohen 
Stabsoffizieren. Oben am Himmel zogen Flieger ihre Kreise, keine Feinde, das Kreuz 
unter den Tragflächen zeigte, daß hoch oben fürsorglich scharfe Augen wachten. Und 
bald zog da und dort eine Marschkolonne im schweren harten Schritt, der deutschen 
Truppen eigen ist, dahin, dorthin, wo klar gegen den Westhimmel in scharfem Umriß 
die ersten Ketten der Vogesen standen und dahinter die blauen Berge, wie ein gleißendes, 
lockendes Traumgebilde des kommenden Frühlings. Die klare warme Sonne am blauen 
Himmel ging wie immer ihre einsame Bahn, und der Frühling trieb mit Macht. 
Weiß wie Duft hingen viele Bäume voller Blüten, und aus dem ersten neuen dunkel 
samtenen Grün der Wiesen sprießten die Blumen. Der Mai stand vor der Tür, und 
die Natur zog zu seinem Empfang ihr Festkleid an. 
Fröhlich sangen die marschierenden Truppen, scherzend riefen die Fahrer von den 
Fahrkolonnen den Leuten zu, und die Vögel der Felder und Wälder taten mit — still 
und friedlich war die Ruhe. Auf den Aeckern schafften die Bauersleute wie im tiefen 
Frieden. Eine Abteilung Pioniere — es waren Norddeutsche — zogen daher, Gewehr 
am Rücken, und eine helle Stimme sang, während die anderen lauschten und vielleicht 
an die brausenden Wasser ihrer Heimat dachten: „Schleswig-Holstein, meerumschlungen." 
So zog eine Kraft an Männern und jungem, gesundestem Leben von der Ebene dem 
Gebirge zu, über alle Straßen zerstreut. 
Da rollte es zumal erschreckend tief und mahnend durch den stillen Tag. Einmal — 
zweimal — viermal — Batteriefeuer — grollend und wuchtig; schweres Geschütz ist's, 
das seine Stimme erhebt — der Reigen beginnt. Denn sofort kommt es aus der Ferne, 
heller und schwirrender, metallenhart irgend woher, aus den Bergen — die französische 
Antwort. Nochmals rollen einige Lagen durch die Ebene, brechen sich am Gebirge und 
echoen zurück. Dann wird's wieder eine Weile still. 
Und währenddem geht der Zug der mannigfachen Kolonnen weiter. Je näher sie den 
Bergen kommen, um so dichter, länger werden die Truppenmassen. Wie ein Strom 
schwillt es an, der auf ein bestimmtes Gebiet zufließt und dem Ersatz und Kraft von 
da und dort, von links und rechts zuströmt, in mannigfachen Läufen. Da, wo sich scharf 
umrissen die Massive trennen und zum Tale werden, flutet es an — gegen das Geb 
weiler Tal. Das geht aber alles so solgesicher, so richtig in Zeit und Raum, das trifft 
zusammen wie die Räder eines Uhrwerkes. Welche gewaltige Arbeit und Organisation 
verlangte der Aufmarsch, welche Kleinarbeit und Energie, ihn richtig beweglich zu machen.
	        
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